Neue Abgabe für Grundstückseigentümer: Selbst harken und dafür zahlen

Die Hamburger Umweltbehörde arbeitet an einer neuen Straßenreinigungsgebühr. Die Bürgerpflicht, den Gehweg zu reinigen, bleibt trotzdem bestehen.

Reichlich zu tun: Laub kehren auf dem Gehsteig. Foto: Arne Dedert/dpa

HAMBURG taz | Im Herbst fühle ich mich als ehrenamtliche Mitarbeiterin der Stadtreinigung. Die Buchen auf der anderen Straßenseite werfen unermüdlich Blätter zu uns rüber. Der Regen durchnässt das Laub auf den Gehwegplatten. Wenn dann nur Leute drüberlatschen und die Blätter nicht immer wieder zügig entfernt werden, entsteht ein brauner rutschiger Matsch. Falls ein Fußgänger ausrutscht, haften die Anwohner.

Also gelbe Laubsäcke kaufen bei Budni und rein mit dem Zeugs. Die nimmt die Stadtreinigung dann irgendwann mit. Leider sind die Beutel aus fisseligem, dünnen Material, und es ist mühsam, sie allein zu befüllen, wenn kein Zweiter dabei steht und sie aufhält. Auch Kippen und anderen Müll müssen wir laut Hamburgischem Wegegesetz vom Fußweg entfernen. Machen wir auch gern, sieht schließlich eklig aus. Aber 20 Arbeitsstunden pro Jahr kommen so schon zusammen.

Nun kommt ab 2018 eine Straßenreinigungsgebühr dazu. Dem vorangegangen war eine Medienkampagne über die verschmutzte Stadt und vermüllte Ecken.

Mindestens 50 bis 60 Cent pro Frontmeter Grundstück im Monat, also bei zehn Metern bis zu 72 Euro im Jahr, sollen Grundstückseigentümer zahlen. Solche Gebühren seien „kein Hexenwerk“ und in anderen Städten üblich, argumentiert der grüne Umweltsenator Jens Kerstan.

Bei Eis und Schnee müssen alle Anwohner für die Räumung der Fußwege sorgen. Die Stadtreinigung übernimmt dies auf Straßen und auf sonstigen Wegen.

Anlieger sind laut Wegegesetz zur Reinigung von Fuß- und Radwegen von Unrat, Laub und Schmutz verpflichtet.

Die Hälfte aller Fußwege reinigt die Stadtreinigung. Der Umfang variiert. So wird das Schulterblatt im Schanzenviertel sechs Mal pro Woche gereinigt. Andere Wege sind nur alle 14 Tage dran.

Tannenbäume können ab Montag an die Straße. Die Stadtreinigung verwertet sie zu Biogas und Kompost.

Es gab schon einen großen Aufschrei der Wohnungsunternehmen und Mieterverbände. Denn unsere Nachbarn am hinteren Ende der Straße, die in größeren Wohnblocks wohnen, zahlen heute schon – meist über ihre Miete umgelegt – eine Gehwegreinigungsgebühr. Dafür fegt dort die Stadt den Fußweg, oder trägt zumindest rechtlich die Verantwortung dafür. Hamburg hat 6.400 Kilometer Gehweg, etwa die Hälfte davon wird städtisch gereinigt. Für die anderen 3.200 Kilometer, meist jenseits des Ring 2 in den Vorstädten, machen es die Anwohner.

Beide Gruppen sollen nun künftig die neue Gebühr bezahlen. Den Antrag dafür haben SPD und Grüne schon Ende November beschlossen, im Frühjahr sollen „Eckpunkte“ dafür vorliegen. Dass es so lange dauert, liegt auch daran, dass die Stadtreinigung erst einmal ein Verzeichnis aller Grundstücksfrontmeter anlegen muss, von denen, die bisher nicht zahlen.

Und was bekommt der Bürger dafür? „Dass das Umfeld vor Ihrem Haus nach einem einheitlichen Standard gereinigt wird“, erklärt Stadtreinigungssprecher Reinhard Fiedler. Dazu zählten Fahrbahnen und Grünstreifen in der Nähe. Die Fahrbahn für die Autos, die bisher nur ein paar Mal im Jahr von einem Kehrfahrzeug gefegt wird – was aus einem Haushaltstitel der Stadt bezahlt wurde –, soll künftig öfter gefegt werden. Wie häufig, ist noch nicht klar. „Das müssen wir alles noch festlegen“, ergänzt Fiedlers Kollege Andreas Möller.

Und die Parks und Grünanlagen werden künftig nur von Kollegen der Stadtreinigung und nicht mehr von Bezirksmitarbeitern gereinigt. Diese wiederum sollen weiter Bäume und Pflanzen pflegen. Hier wird „Zersplitterung von Zuständigkeiten“ beseitigt, wie es der rot-grüne Antrag „Sauberkeit aus einer Hand“ formulierte. Von dem Geld sollen 400 neue Jobs bei der Stadtreinigung entstehen, was sozialpolitisch sinnvoll ist.

Doch ganz nüchtern betrachtet heißt das auch: Meine Straße wird besser geputzt für die 60 Cent pro Meter pro Monat, mein Fußweg nicht, das muss ich weiter selbst tun.

Man kann es ungerecht finden: „Poppenbüttel zahlt dann dafür, dass der Spielbudenplatz gereinigt wird“, wie es CDU-Politiker Stephan Gamm formuliert. Dabei sei der Senat den Beweis schuldig, dass es ohne diese Gebühr nicht geht. Gamm rechnet vor, dass 400 Stellen eine halbe Millionen Arbeitsstunden im Jahr leisten können. Er bezweifelt, dass so viele Arbeiter nötig sind, um die „Schmuddelecken“ der Stadt zu säubern. Eine Stadt wie Wien habe das mit nur 40 bis 50 Zusatzleuten und Ordnungsgeldern geschafft.

„Es ist Blödsinn, dass hier die Länge der Straßenmauer als Maß für eine Gebühr genommen wird, die Parks sauberer macht“, sagt auch FDP-Politiker Kurt Duwe, der von „Bürger-Abzocke“ spricht. Wenn, dann solle der Staat so ehrlich sein und eine Zusatzsteuer erheben.

Das Mitleid mit laubfegenden Grundstückbesitzern hält sich übrigens in Grenzen, wenn man mit City-Bewohnern spricht. Und ich gestehe, ich bleibe gern bei diesem Pflicht-Hobby. Nur vielleicht könnte die Stadtreinigung Säcke erfinden, die sich leichter befüllen lassen. Denn abgesehen davon ist Laubharken ganz nett. Man hat zu tun, ist an der frischen Luft und kommt mit Nachbarn, die man sonst kaum sieht, ins Gespräch.

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