Neue Beschwerde in Karlsruhe: Ceta in schlechter Verfassung?

Mehrere große Verbände wollen das EU-Abkommen mit Kanada stoppen. Sie sind zuversichtlich, dass es klappt – wenn auch erst im Herbst.

Demonstranten halten Schilder hoch, auf denen für einen Ceta-Stopp geworben wird

Gefährdet Ceta die Demokratie? Ja, finden nicht nur diese Demonstranten in Lahnstein Foto: dpa

BERLIN taz | Mehr als 100 Beschwerden sind beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereits gegen Ceta, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, eingegangen – und sie wurden allesamt als unzulässig abgelehnt. Dennoch unternehmen die Organsationen Campact, Foodwatch und Mehr Demokratie jetzt gemeinsam einen weiteren Anlauf.

Sie sind sicher, dass dieser erfolgreicher verlaufen wird. „Die anderen Beschwerden sind zu früh eingereicht worden“, sagte der Staatsrechtler Bernhard Kempen am Montag bei der Vorstellung der Verfassungsbeschwerde in Berlin. Der Juraprofessor von der Universität Köln vertritt das Bündnis als Prozessbevollmächtigter. Erst wenn die Abstimmung im EU-Rat durch den deutschen SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel unmittelbar bevorstehe, gebe es einen konkreten Rechtsakt, gegen den geklagt werden könne – voraussichtlich im Herbst ist das der Fall.

Und anders als die meisten anderen Beschwerden, etwa die von der Musiklehrerin Marianne Grimmenstein eingereichte Massenbeschwerde (taz berichtete), wollen Campact, Foodwatch und Demokratie nicht nur gegen Ceta selbst vorgehen, sondern bereits gegen die vorläufige Anwendung des Abkommens, die die EU plant. Diese würde dazu führen, dass wesentliche Teile des Abkommens in Kraft treten, bevor alle Mitgliedstaaten dem Vertrag zugestimmt haben – was in Deutschland durch Bundestag und Bundesrat geschehen müsste.

„Die vorläufige Anwendung wäre ein Angriff auf die Demokratie“, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. Falls die EU tatsächlich dieses Verfahren nutzen will, soll dagegen beim Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung beantragt werden. Wenn das erfolgreich ist, dürfte Deutschland der vorläufigen Anwendung nicht zustimmen. Ob sie damit gestoppt wäre, ist offen. Kempen geht davon aus, dass Einstimmigkeit erforderlich ist. Allerdings gebe es in dieser Frage Interpretationsspielraum.

Thilo Bode, Foodwatch

„Die vorläufige Anwendung wäre ein Angriff auf die Demokratie“

Das fertig verhandelte Ceta-Abkommen mit Kanada gilt als Blaupause für TTIP, das Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA. Umwelt- und Verbraucherverbände, aber auch Grüne und Linke fürchten, dass dadurch Standards gefährdet und demokratische Regeln verhindert werden.

Die Einschränkung der Demokratie ist auch das entscheidende Argument der geplanten Verfassungsbeschwerde. Durch die geplanten Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen gegen Staaten klagen können, sowie durch die regulatorische Kooperation drohe eine „Entleerung der substanziellen Befugnisse des Bundestags“, schreibt der Jurist.

Der Beschwerde kann sich unter www.ceta-verfassungsbeschwerde.de jedeR kostenlos anschließen. „Das bietet eine zusätzliche wirksame Möglichkeit, sich gegen die Handlungspolitik unserer Regierung zu wehren“, sagte Maritta Strasser von Campact.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.