Neue Bomben im Bau: Atomwaffenfreie Welt bleibt Vision

Friedensforscher kritisieren die Modernisierung von Atomwaffenarsenalen. Die USA und Russland bauen diese zudem immer langsamer ab.

US-Präsident Barack Obama und der japanische Premierminister Shinzo Abe gehen nebeneinander, hinter ihnen liegen Blumenkränze vor einem Betonbogen.

Barack Obama besuchte als erster US-Präsident Hiroshima Foto: dpa

STOCKHOLM taz | Aus der Vision einer „atomwaffenfreien Welt“, die US-Präsident Barack Obama 2009 gleich nach seinem Amtsantritt heraufziehen sah, ist nichts geworden. Im Gegenteil: Die Investitionen der Atomwaffenmächte in ihre nukleare Arsenale wachsen. Und die USA stehen dabei an der Spitze, wie ein Bericht zeigt, den das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag veröffentlicht.

„Die ambitiösen Modernisierungspläne der Obama-Administration stehen wirklich in einem scharfen Kontrast zu den persönlichen Versprechen des Präsidenten, was eine Reduzierung der Nuklearwaffen und deren Rolle in der künftigen Sicherheitsstrategie der USA angeht“, sagt Hans Kristensen von Sipri. Das zieht in seinem jährlichen Nuklearwaffenbericht das Fazit: „Kein Atomwaffenstaat hat vor, sein Kernwaffenarsenal in absehbarer Zukunft aufzugeben.“ Sipri beobachtet mit Sorge überall sichtbare Modernisierungstendenzen.

Dabei sei die Gesamtzahl der Atomwaffen von 15.850 im Vorjahr auf 15.395 im Januar 2016 gesunken. Mitte der 1980er Jahre hatte es noch 70.000, 2010 fast 23.000 Atomsprengköpfe gegeben. Deren Abbau geht laut Sipri vor allem auf die USA und Russland und die drei Abrüstungsabkommen seit 1991 zurück. Beide Staaten stünden aber immer noch für 93 Prozent des globalen Atomwaffenarsenals. Das Tempo des von ihnen vollzogenen Abbaus habe sich deutlich verlangsamt, sagt Shannon Kile, Sipris US-amerikanischer Nuklearwaffenforscher: „Trotz der anhaltenden Reduzierung der Waffenanzahl bleiben die Aussichten für echte Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung düster.“

Neben den USA und Russland hätten auch die übrigen sieben Atomwaffenstaaten – Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea – entweder schon neue Nuklearwaffensysteme entwickelt oder angekündigt, dies tun zu wollen. Das umfassendste Programm hätten die USA, die bis 2024 348 Milliarden Dollar in Erhalt und Modernisierung ihrer Atomwaffen stecken wollten.

Shannon Kile, Sipri

„Die Aussichten für echte Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung bleiben düster“

Russland hat laut Sipri bislang etwa die halbe Strecke des langwierigen Übergangs von veralteten sowjetischen zu neueren Waffensystemen zurückgelegt. Dabei werde „die Größe des russischen Atomarsenal im nächsten Jahrzehnt aufgrund finanzieller Zwänge wahrscheinlich weiter schrumpfen“. Bis 2014 soll die Umstellung auf eine neue Generation von Interkontinentalraketen abgeschlossen sein. Der Austausch der veralteten U-Boot-Flotte werde sich wohl bis Ende des nächsten Jahrzehnts hinziehen, die Entwicklung neuer Langstreckenbomber sei stark verspätet.

Während China sein Nuklearwaffenarsenal relativ langsam modernisiere und vor allem den maritimen Sektor stärke, setzen Indien und Pakistan laut Sipri auf einen Ausbau ihrer Trägerraketen und der Kapazitäten zur Produktion spaltbaren Materials. Die Zahl der israelischen Atomsprengköpfe werde auf 80 geschätzt. Es gebe Hinweise, dass das Land von Deutschland gelieferte U-Boote der Dolphin-Klasse mit atomwaffenfähigen Marschflugkörpern bewaffnen könne. Bei Nordkorea geht Sipri von etwa zehn Atomsprengköpfen aus. Dabei sei unklar, ob sie auch einsatzfähig seien.

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