Neue Jugendberufsagentur: Fürsorgliches Stupsen

Eine neue Jugendberufsagentur soll Schulabgänger erfassen und dafür sorgen, dass keiner verloren geht - auch mit Hausbesuchen. Droht der "gläserne Jugendliche"?

Dieser Taxifahrer hat wahrscheinlich keine Service-Schulung erhalten. Bild: dpa

Alles unter einem Dach – unter diesem Motto starten im September in Harburg und Mitte zwei „Jugendberufsagenturen“ (JBA). Jugendamt, Arbeitsagentur und Jobcenter sollen dort gemeinsam junge Menschen in Ausbildung vermitteln. Spätestens 2014 soll es so ein Haus in jedem Bezirk geben.

Der SPD-Senat hat Großes versprochen: Jeder Schulabgänger soll einen Beruf erlernen oder Abitur haben. Doch davon ist die Stadt weit entfernt. Nur jeder dritte Abgänger der 10. Klassen bekam 2011 gleich nach der Schule eine Lehre. Die meisten kamen in Übergangssysteme. Von 1.185 der rund 6.500 Jugendlichen war gar nicht bekannt, was sie machten, sagt SPD-Sozialsenator Detlef Scheele. Diese „Black Box“ will er aufhellen. Dafür sollen die Daten des Schülerzentralregisters mit denen der Arbeitsagentur verknüpft werden.

Die geschehe „freiwillig“, betont Scheele. Noch in der Schulzeit sollen die Eltern um Zustimmung zum Datenabgleich gebeten werden. Scheele: „Ich bin sicher, dass wir die zu 100 Prozent bekommen.“ Junge Menschen ohne Ausbildung, die lieber jobben, sollen regelmäßig von der JBA angesprochen werden. Man wolle niemand strafen, sagt Scheele. „Es geht um ein wohlwollendes Stupsen.“ Und zwar bis zum Alter von 25 Jahren.

Es könne sein, dass die Zahl der arbeitssuchend gemeldeten Jugendlichen – derzeit bei etwa 3.000 – erst mal steige, sagte Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock. Da es derzeit mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gebe, sei er aber sehr optimistisch. Zusätzliche Maßnahmen seien nicht nötig. Fänden Jugendliche dennoch keine Lehrstelle, liege das zum Beispiel daran, dass sie einen Modeberuf wünschten.

Die CDU begrüßt das Konzept, Die Linke nicht: „Jugendberufsagenturen schaffen keine Ausbildungsplätze“, sagt Fraktions-Chefin Dora Heyenn. Der Senat müsse zusätzliche Lehrstellen schaffen, so wie es in der Drucksache zur Reform des Übergangs Schule-Beruf auch versprochen ist. Die Grünen halten den Ausbildungsplatzmangel zwar für überwunden. Viele junge Leute seien aber nicht gut vorbereitet und bräuchten weitere Unterstützung, so die Abgeordnete Stefanie von Berg. Der Senat wähle aber einen „zentralistischen Ansatz“ und beziehe die freien Träger, die dicht dran an diesen Jugendlichen seien, nicht mit ein. Das sei „nicht klug“.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband nennt die Agentur einen „zahnlosen Papiertiger“ ohne Bezug zur realen Lebenswelt der Jugendlichen. Die Sorge der SPD um die Jugend sei wenig glaubwürdig, weil sie den von Schwarz-Grün geplanten Ausbau der Produktionsschulen für benachteiligte Jugendliche gestoppt habe. Fachsprecherin Petra Lafferentz befürchtet zudem, dass die JBA den „gläsernen Jugendlichen“ schaffen und Druck und Bevormundung ausüben werde. Das sei für junge Menschen in komplizierten Verhältnissen das Falsche.

Der Sozialsenator versucht, solche Sorgen zu zerstreuen. „Wenn einer sagt, er hat kein Bock“, sagt Scheele, „dann kommen wir nicht wieder.“

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