Neue Kreditrate für Griechenland: „Vertrauen in Tsipras ist angekratzt“

Athen habe keinen belastbaren Plan für die Zukunft. Das sagt Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick nach Gesprächen mit der griechischen Regierung.

Losverkäufer in Athen.

Glücksspiel ist auch eine Möglichkeit, an Geld zu kommen: Losverkäufer in Athen. Foto: dpa

taz: Sie haben unter anderem mit dem griechischen Vize-Finanzminister gesprochen. Gibt es bald einen Kompromiss zur Lösung der Krise?

Gerhard Schick: In der griechischen Öffentlichkeit und auch in der Regierung geht man davon aus, dass es jetzt schnell zu einer Einigung kommt und kommen muss. Denn offenbar reichen die öffentlichen Mittel gerade noch für die 300 Millionen Euro aus, die die Regierung an diesem Freitag dem Internationalen Währungsfonds (IWF) überweisen soll. (Anmerkung der Redaktion: Am Abend kündigte der IWF an, Athen wolle alle vier fälligen Juni-Raten am Ende des Monats gebündelt zahlen.) Dann sind die Kassen leer. Unter diesem Druck wird wohl sehr bald eine Einigung mit IWF, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank gelingen, und die nächste Kreditrate an Athen kann ausbezahlt werden.

Die griechische Regierung braucht neue Hilfskredite, um die alten zurückzuzahlen. Ihre Einnahmen reichen dafür nicht?

Bei jeder Zahlung kratzt man jetzt die letzten Reserven zusammen. Der Staat schiebt deshalb Berge offener Rechnungen vor sich her. Zum Beispiel Forderungen von Lieferanten für Krankenhäuser oder andere öffentliche Einrichtungen. Dies kann man nicht endlos fortsetzen.

Zwischen der Eurogruppe und Athen soll es Fortschritte gegeben haben. Demnach muss Griechenland weniger Haushaltsüberschüsse machen und hätte mehr finanziellen Spielraum, die Krise zu lindern.

Die europäischen Institutionen und der Währungsfonds passen ihre Forderungen damit der tatsächlichen Lage an. Die wirtschaftliche Situation Griechenlands hat sich seit Jahresende so verschlechtert, dass die ursprünglichen Vorgaben rein praktisch nicht mehr zu erreichen sind. Hohe Steuereinnahmen und Haushaltsüberschüsse zu erzielen ist illusorisch.

EU-Kommission, EZB und IWF verlangen, dass Griechenland zusätzlich bei den Rentenausgaben spart und die Mehrwertsteuer erhöht. Haben Sie den Eindruck, dass Athen darauf eingeht?

Ich habe Kompromissbereitschaft wahrgenommen. Die Vereinfachung des Systems der Mehrwertsteuer und die damit verbundene leichte Erhöhung der Einnahmen sind ja sinnvoll.

Der 43-Jährige ist Vizevorsitzender des Finanzausschusses im Bundestag. Der grüne Volkswirt ist Wirtschafts- und Finanzexperte und gehört zum linken Parteiflügel.

Drängt Athen auf einen erneuten Schuldenschnitt, sodass auch Deutschland auf einen Teil des geliehenen Geldes verzichten müsste?

Nein, das erwartet die griechische Seite augenblicklich nicht. Man hat sich erst mal damit abgefunden, dass unter anderem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dazu nicht bereit ist.

Das Durcheinander der vergangenen Monate hat Griechenland um Jahre zurückgeworfen. Haben Sie den Eindruck, dass die Regierung einen belastbaren Plan hat, wie das Land in den nächsten Jahren aus der Malaise herauskommt?

Die Antworten waren dünn. Stattdessen wird auf Fehler der Troika verwiesen. Es ist richtig, die Troika hat Fehler gemacht. Aber es hat keinen Sinn, sich ständig zu beklagen, dass alles Schlechte von außen kommt. Die Regierung sollte auch selbst Vorstellungen entwickeln. Da muss sie nachlegen. Wo sollen neue Arbeitsplätze entstehen, wie kann man die öffentlichen Dienstleistungen verbessern, wie den Schmuggel bekämpfen? Auch unter der Wählerschaft der Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras scheint Ernüchterung darüber einzusetzen, dass zu wenig passiert. Der Vertrauensvorschuss ist noch nicht ganz aufgebraucht, aber er geht zur Neige.

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