Neue ProSieben-Sitcom: Wieder die Werbebranche

„The Crazy Ones“ ist die neueste Serie von „Ally McBeal“-Erfinder David E. Kelley. Sie ist frech und witzig, aber nur latent politisch.

Leider unpolitisch: „The Crazy Ones“-Darsteller James Wolk und Sarah Michelle Gellar. Bild: ProSieben

Am 3. März 1991 wurde der Afroamerikaner Rodney King nach einer Geschwindigkeitsübertretung von mehreren Polizisten brutal geschlagen. Ein Zeuge filmte den Vorfall. Bereits zwei Monate später war der reale Skandal Thema in der fiktiven TV-Serie „L.A. Law“. Nicht untypisch für die Autoren dieser Anwaltsgeschichten, die immer wieder aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse und Ereignisse in die Handlung woben.

„L.A. Law“ stammte von der ehemaligen Staatsanwältin Terry Louise Fisher und dem Autor und Produzenten Steven Bochco. Bochco hatte gemeinsam mit Michael Kozoll TV-Geschichte geschrieben, als er 1981 die Polizeiserie „Hill Street Blues“ auf den Bildschirm brachte und damit die Gattung auf ein bis dahin kaum gekanntes Niveau hob. Mit „Hill Street Blues“ begann, was der Medienwissenschaftler Robert J. Thompson 1996 die „zweite goldene Ära des Fernsehens“ nennen sollte: eine Evolution des seriellen Erzählens.

Auch „L.A. Law“ (1986 bis 1994) zählt zu dieser Generation von Qualitätsserien. Dafür war nicht zuletzt David E. Kelley verantwortlich, ursprünglich Rechtsanwalt, als Autor ein Seiteneinsteiger, ab der vierten Staffel verantwortlicher Produzent von „L.A. Law“. Damals entwickelte Kelley seine besondere Handschrift: exzentrische Charaktere, absonderliche Storys, schnelle und gewitzte Dialoge, dabei immer wieder bewusst zeitkritisch.

Über die Jahre und insbesondere zu Zeiten George W. Bushs ging Kelley über die begleitende Reflexion noch hinaus: Kelleys Serie „Boston Legal“ wurde so zeitweise zur Gegenstimme jener populistischen Radau-Shows, die wie Informationssendungen präsentiert wurden, aber weit entfernt waren von jeder journalistischen Ethik. Inzwischen aber ist die unmittelbare Darstellung gesellschaftlicher Realitäten rar geworden. In seiner letztjährigen Serie „Monday Mornings“ widmete er sich bar jeder Romantisierung dem Klinikalltag. Auch ein Kommentar zur Zeit, aber losgelöst von konkreten Ereignissen. Dennoch ein Misserfolg.

Zügellos improvisiert

Bei ProSieben startet in dieser Woche Kelleys jüngste Produktion, die nach 22 Episoden eingestellte Sitcom „The Crazy Ones“ (21.15 Uhr). Wer bei dem Titel eine Anspielung auf „Mad Men“ wittert, liegt nicht falsch. „The Crazy Ones“ spielt ebenfalls in der Werbebranche, jedoch in der Gegenwart, inspiriert von den Erlebnissen des Chicagoer Werbeschaffenden John R. Montgomery, der als Koproduzent fungierte.

Kelleys Stärke, die anspielungsreichen pointierten Dialoge, kommt hier voll zur Geltung. In Hauptdarsteller Robin Williams und dem jüngeren James Wolk hat Kelley zwei ideale Interpreten gefunden. Wobei Williams seit seinem Durchbruch mit der Sitcom „Mork vom Ork“ bekannt und berüchtigt ist dafür, dass er vom Skript abweicht und zügellos improvisiert. Die Regisseure lassen ihn gewähren. Das ist frech und witzig. Aber bestenfalls latent politisch.

„The Crazy Ones“, immer mittwochs, 21.15 Uhr, ProSieben

Ein Zeichen der Zeit: TV-Serien gehobener Qualität finden derzeit viel Aufmerksamkeit: Neue technische Möglichkeiten, die Vermehrung der Anbieter sowie eine bessere finanzielle Ausstattung haben die Herstellung verändert und neue Vermarktungswege eröffnet. Die Kundschaft ist heute international, Feinheiten US-amerikanischer Innenpolitik stören da nur.

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