Neue Tarife in den Schwimmbädern: Rentner wollen nicht baden gehen

Bäderchef Hensing will die Preise erhöhen und hofft dennoch auf mehr Besucher. Eine Gruppe älterer Badegäste bleibt nun aus Protest auf dem Trockenen

Schulklassen und Sportvereine schwimmen umsonst. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Rentner gehen auf die Barrikaden. Gegen die Tariferhörung der Berliner Bäder-Betriebe (BBB) will eine Gruppe älterer Damen und Herren am kommenden Freitag vor der Schwimmhalle am Ernst-Thälmann-Park in Prenzlauer Berg ein Zeichen setzen. „Treffpunkt ist um 6 Uhr vor der Halle, aber wir gehen nicht rein“, kündigt Rentner Siegfried B. an. „Das Bad wird deshalb ziemlich leer sein.“ Denn vor 8 Uhr gingen eben fast nur Rentner baden. In dieser Zeit gilt der Frühschwimmtarif von 2,80 Euro. Aber der wird abgeschafft.

Die Preiserhöhung tritt am 1. Januar 2014 in Kraft. Es ist die zweite Preiserhöhung binnen einem Jahr. Der normale Ticketpreis wird von 4,50 auf 5,50 Euro erhöht. In weniger frequentierten Zeiten zwischen 10 und 15 Uhr kostet der Eintritt 3,50 Euro. Eingeführt wird auch ein Kurzschwimmtarif von 3,50 Euro für 45 Minuten. „Das ist absurd“, sagt der 65-jährige B., der unter den Frühschwimmern am Thälmann-Park zu den Jüngsten gehört. „Umziehen, Duschen, Haare fönen – allein dafür brauchen wir alten Leutchen doch schon eine halbe Stunde.“

Die Preiserhöhung der BBB trifft die gesamte Bevölkerung. Die Rentnergang vom Thälmann-Park und die Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus sind indes die Einzigen, die aufbegehren. „Die neue Tarifstruktur ist sozial ausgewogen“, meint der sportpolitische Sprecher der CDU, Peter Trapp. Seine Begründung: Kinder bis zum Alter von fünf Jahren hätten künftig freien Eintritt. Bislang lag die Altersgrenze bei zwei Jahren.

Auch auf der Familienkarte, die nun 11,50 statt 8,00 Euro kostet, sei der Familienbegriff sehr weit gefasst. Mitgenommen werden dürfen bis zu fünf Kinder, unabhängig von der Familienzugehörigkeit. Der sportpolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchner, begrüßt die Einführung der Zeitzonen und die Angebote von Dauerkarten für Vielschwimmer. Nur der Sprung auf 5,50 Euro für das normale Ticket sei ein „Wermutstropfen“.

Wer hat die Kontrolle?

Deutliche Kritik kommt eigentlich nur von SPD-Fraktionschef Raed Saleh: „Ich wundere mich, ständig Nachrichten eines landeseigenen Unternehmens zu lesen, die mit uns nicht abgestimmt sind.“ Doch die Kritik entlarvt sich als wohlfeil: Die Struktur der BBB ist so angelegt, dass die Geschäftsführung die Preise im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat macht. Vorsitzender ist Sport- und Innensenator Frank Henkel (CDU). Das Parlament ist an der Entscheidung nicht beteiligt. Nur in Haushaltsberatungen ist es einbezogen.

Die BBB bekommen pro Jahr 45,5 Millionen Euro Landeszuschüsse plus 5 Millionen Sanierungsmittel. Die BBB übernehmen eine Aufgabe, die zur Daseinsvorsorge gehört. Rund 50 Prozent der Öffnungszeiten werden durch Schulklassen und Sportvereine genutzt, die umsonst schwimmen.

Ole Bestedt Hensing ist seit sechs Monaten Vorstandschef der BBB. Der Freizeitmanager wurde geholt, um die Bäderlandschaft zu reformieren. Alte, unwirtschaftliche Hallen schließen, neue Bäder bauen – als er im Sommer mit diesem Konzept rausrückte, wurde Hensing von der Öffentlichkeit heftig gescholten. „In Berlin hauen alle auf einen ein“, sagt Hensing. „Da musst du ein dickes Fell haben.“

Hensing und Kovorstand Annette Siering unterstehen 63 Bäder und rund 750 Angestellte. Den Zustand, den die beiden bei ihrem Amtsantritt vorfanden, beschreibt Hensing so: Das 2006 aus verschiedenen Töpfen bewilligte Sonderbädersanierungsprogramm von insgesamt 72 Millionen Euro sei weitestgehend verbaut. „Trotzdem gibt es einen Sanierungsrückstau von 85 Millionen Euro.“

Der Instandhaltungsrückstau ist heute größer als vor dem Bädersanierungsprogramm – wie kann das sein? Den BBB fehlten aufgrund eines drastischen Besucherschwunds seit 2003 jedes Jahr 2,5 Millionen Euro, erklärt Hensing. Die Kosten stiegen dagegen kontinuierlich: Personal, Energie, auch Wasser sei teuer. Um alle Bäder offenhalten und trotzdem eine ausgeglichene Bilanz vorweisen zu können, hätten die BBB im Laufe der letzten Jahre die Rücklagen für Instandhaltung aufgelöst. Viele Arbeiten seien demzufolge unterlassen worden.

Besucherplus erhofft

Von der Preiserhöhung verspricht sich der Bäderchef zusätzliche Einnahmen von 2,2 Millionen Euro pro Jahr. Mit den Mehreinnahmen sollen unter anderem längere Öffnungszeiten finanziert werden, die wiederum mehr Besucher und Mehreinnahmen bescheren sollen. „Es geht alles viel langsamer, als ich dachte“ sagt er.

Nach seiner Halbjahresbilanz gefragt, zählt Hensing auf: Seit vier Monaten können alle Bäder per E-Mail kommunizieren. In Workshops habe jedes einzelne Bad Vorschläge für die Verbesserung des Wirtschaftsplans gemacht. Es gibt Ideen, Spiel-und-Spaß-Badetage zu veranstalten, im Sommer Zeltplätze in Freibädern aufzubauen, im Dezember einen Weihnachtsmarkt im Strandbad Wannsee. „Das alles ändert aber nichts daran, dass wir grundsätzlich etwas ändern müssen.“

Sein Konzept liege dem Aufsichtsrat schon länger vor. Sofern das Gremium im März 2014 grünes Licht gebe, könne der Vorschlag ins Parlament eingebracht werden. Einzelheiten nennt Hensing nicht, sagt aber: „Wir bauen ein neues Bad, und wenn es fertig ist, schließen wird das alte.“ Auch das hat er aus der Diskussion im Sommer gelernt: Ein Schritt nach dem anderen.

Die Rentner vom Thälmann-Park haben Hensing einen Brief geschrieben. Dass die 45 Minuten Kurzzeittarif zu kurz sind, hat er eingesehen. Zum Umkleiden und Duschen soll es deshalb 20 Minuten Kulanz geben. „Keinem wird der Kopf abgerissen, wenn er es nicht schafft.“

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