Neue Ungereimtheiten im Fall Jalloh: Keine Spuren am Feuerzeug

Wer entzündete das Feuer in der Zelle von Oury Jalloh? Am Feuerzeug werden keine Spuren gefunden. Das Gericht gibt eine neue Rekonstruktion des Brandes in Auftrag.

Neue Rekonstruktion: In dieser Zelle starb Oury Jalloh 2005. Bild: dpa

BERLIN taz | Seit sieben Jahren beschäftigt der Feuertod des Sierra Leoners Oury Jalloh die deutsche Justiz. Doch erst jetzt wurde das Feuerzeug, mit dem sich der abgelehnte Asylbewerber in einer Dessauer Polizeizelle selbst angezündet haben soll, umfassend untersucht. Das Ergebnis: Weder DNA-Spuren noch Gewebereste, die Jallohs Kleidung zuzuordnen sind, waren an dem Feuerzeug nachzuweisen.

Das ist das Ergebnis eines Gutachtens des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt. Die Untersuchungsergebnisse wurden mündlich vor dem Landgericht Magdeburg vorgestellt.

Jalloh war am 7. Januar 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers an Händen und Füßen gefesselt verbrannt. Wie das Feuer überhaupt ausbrechen konnte, ist bis heute ungeklärt. Vor Gericht steht der Polizeibeamte Andreas S. Er war an jenem Tag für den Gewahrsamstrakt verantwortlich und soll den Feueralarm mehrfach ignoriert und einmal sogar abgestellt haben, statt Jalloh zu retten.

Nach einem ersten Verfahren war er 2008 freigesprochen worden – obwohl sich Polizeizeugen in eklatante Widersprüche verwickelt hatten. Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch jedoch auf, das Verfahren wurde in Magdeburg neu aufgerollt.

Videoaufnahmen der Durchsuchung sind verschwunden

Die Klage der Staatsanwaltschaft fußt auf der Annahme, dass die Polizisten versäumt haben, Jalloh ein Feuerzeug abzunehmen. Damit soll er trotz Fixierung seine feuerfeste Matratze angezündet haben. Das fragliche Feuerzeug jedoch wurde erst zwei Tage nach dem Brand in eine Asservatenliste eingetragen. Bei der ersten Durchsuchung der ausgebrannten Zelle war es nicht gefunden worden. Die Videobänder von der Durchsuchung sind verschwunden.

„Das passt alles nicht zusammen“, sagt jetzt der Anwalt Philipp Napp, der die Familie des Toten vertritt. Er hatte die Untersuchung des Feuerzeuges beantragt. Für ihn ist das Ergebnis ein Beleg dafür, dass die These, Jalloh habe sich selbst getötet, nicht zu halten ist.

Die Sachverständigen der Polizei hatten nur Polyesterfasern gefunden, die weder zu Jallohs Bekleidung noch zu Materialien aus der Zelle passen. Die Kleidung des Toten bestand aus Baumwolle und anderen Fasern, die damit nicht übereinstimmten. Die Gutachter schlossen vor Gericht aus, dass es sich um Reste der Matratze handelt.

Der Verteidigung des angeklagten Polizisten S. versucht, ihn aus der Schusslinie zu nehmen: „Die Aktivitäten der Nebenklage zielen darauf ab, nachzuweisen, dass ein Dritter den Brand gelegt hat“, sagte der Anwalt Hans-Jörg Böger aus Bitterfeld. „Es wäre aber ausgeschlossen, dass es sich dabei um unseren Mandanten gehandelt haben könnte.“

Brandschutzexperte soll Verlauf rekonstruieren

S. sei zur fraglichen Zeit nachweislich nicht im Gewahrsamstrakt gewesen. Böger glaubt nicht, dass der Brandhergang überhaupt noch geklärt werden kann: „Nach unserem Ermessen sind die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit erreicht.“

Gleichwohl hat das Gericht einen Stuttgarter Brandschutzexperten mit einer erneuten Rekonstruktion des Brandverlaufs beauftragt. Gleichzeitig beantragte die Staatsanwaltschaft, auch den Straftatbestand der Freiheitsberaubung zum Anklagepunkt gegen den Polizisten S. zu machen.

Unterdessen ist die Mutter des Toten, Mariama Djombo Diallo, am Montag in Guinea gestorben. Sie hatte sich zuvor monatelang in Deutschland aufgehalten, um den Prozess zu beobachten. Im Mai musste sie im Krankenhaus behandelt werden. „Sie war eine starke Frau, aber die Trauer über all die Lügen in dem Prozess saß so tief, dass sie es nicht mehr bewältigen konnte“, sagte Mouctar Bah, ein Freund Oury Jallohs.

Konferenz: „Oury Jalloh und der Kampf um Wahrheit“. Samstag, 27. Juli ab 12 Uhr, Franz-Mehring-Platz 1, Berlin

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