Neuer Dubstep von Skrillex und Ecoplekz: Auf der Suche nach dem Rumms

Beim US-Produzenten Skrillex folgt alles einem Muster, beim Briten Ekoplekz fransen die Sounds aus. Mainstream -und Undergroundalben im Vergleich.

Der Mainstream-Hupfauf Skrillex. Bild: Jason Nocito/promo

Brillen tragen sie beide: Der Amerikaner Sonny Moore und der Brite Nick Edwards. Dubstep produzieren auch beide – zumindest wenn man darunter auch J-Pop versteht, in der eine Art Reggae-Rhythmus auf ein Konvolut an Synthesizern trifft. Aber nur einer der beiden kann Tausende Teenager in einer Halle dazu bringen, mit ihren Händen kleine Herzchen zu formen, während sie von einer Synthesizerfläche der Liebe getragen werden.

Nur um ein paar Sekunden später, wenn ein fies verzerrter Bass einsetzt, die Halle in einen Moshpit zu verwandeln, der jeder New-York-Hardcorepunk-Show der mittleren Neunziger gut zu Gesicht stehen würde. Das ist Sonny Moore alias Skrillex.

Skrillex ist ein Phänomen. Seinetwegen ist Dubstep von der Nerd-Musik in abgedunkelten Kellerclubs zum Stadionrock der Zehnerjahre geworden. Skrillex ist das verkörperte Nerdtestosteron. Bei seinen Liveshows lässt er die langen schwarzen Haare über den Laptops kreisen, doch trotz Hardcore-Background fällt er niemals in platte Machogesten.

Gerade hat Skrillex sein Debütalbum veröffentlicht. Es heißt „Recess“ – Schulpause. Ein passender Titel. Denn die Welt ist bei Skrillex klar unterteilt: in die Phase des angestrengten Tüftelns auf der Suche nach dem maximalen Rumms. Und in die ebenso streng durchchoreografierte Phase des kollektiven Ausrastens, den „Recess“.

Der beginnt normalerweise nach dem Pausengong, dem Drop, dieses minimalst kurzen Moments der Stille, bevor der wuchtige Bass einsetzt und die Hände in die Luft geworfen werden. Auf „Recess“ wechseln sich diese beiden Phasen in schönster Regelmäßigkeit ab. Auf ein 16-Bit-Synthesizer-Solo in Knallfarben folgt der bis zum Anschlag gemixte Wobblebass. Und so weiter und so fort.

Gecastete Credibility

Dabei hat Skrillex ein Problem. Je mehr er Dubstep aus der Nerdhölle befreit hat, über desto weniger Credibility verfügt er unter Danceproduzenten. Wobei ihm das eigentlich egal sein könnte, „Recess“ stieg vom Fleck weg in die US-Top-Ten ein. Aber die Gastauftritte auf „Recess“ bezeugen etwas anderes. Moore hat sein Ensemble präzise auf Credibility hin gecastet. Chance the Rapper findet sich in der Rolle des aufstrebenden HipHop-Nachwuchsstars wieder, Diplo als Post-Production-Effekt mit Krassheitsfilter, und die britischen Junglepioniere Ragga Twins dürfen mit heruntergepitchter Stimme den „badman“ geben.

Der Effekt ist aber ein gegenteiliger. Vergleicht man die Musik von Skrillex mit der seiner Gaststars, fällt die Formelhaftigkeit von „Recess“ umso stärker auf. Spätestens nach dem dritten hochgeloopten Vocalsample sucht man auf YouTube nach alten Tracks der Ragga Twins aus der Blütezeit des britischen Breakbeat.

Underground-Nerd: Ecoplekz Bild: Sam Wild/promo

Zugegeben, ganz frei von Spuren der Referenzhascherei ist auch „Unfidelity“, das neue Album von Nick Edwards alias Ekoplekz, nicht. „Sleng Zen“ spielt auf den ersten digitalen Dancehall-Riddim an, zerlegt aber sein Drumensemble in schlierenziehende Einzelspuren. „Robert Rental“, benannt nach einem Post-Punk-Elektronikpionier, lässt eine Bassline langsam über die Ufer treten, bevor sich aus dem Hintergrund verschmurgelte Horrorsounds langsam an ihre Opfer heranpirschen.

Wo die Tracks von Skrillex trennscharf die Komplementarität von „Work hard“ und „Play hard“ zementieren, kehrt bei Nick Edwards aka Ekoplekz die Unschärfe im Cinemascope-Format zurück: subtile Geräuschmanipulationen, die ausfransen und sich zum In-yer-face-Krach mit Dancefloorambitionen versteigern können. Diese Mischung kennt man von Labels wie L.I.E.S., Trilogy Tapes oder White Material, bei denen in der Regel die gerade Bassdrum regiert. Über Half-Time-Beats fristete sie aber bislang ein eher gräuliches Nischendasein.

Im Bassveteranenstadl

Der nerdig dreinschauende Brite Nick Edwards mit dem etwas zu hohen Haaransatz stöpselt schon seit einigen Jahren Sequencer, Effekte und einen elektrischen Bass ineinander und hat nach einigen Veröffentlichungen auf dem obskuren Perc-Trax-Label ein neues Heim im Bassveteranenstadl von Mike Paradinas’ Label Planet Mu gefunden. Auf elf Tracks praktiziert Edwards seine eigene, höchst idiosynkratische Variation des alten Mantras von Dub als Methode – und seine Methode heißt Wahnsinn.

In der Echokammer von Ekoplekz steigern sich die durch Berge von Effekten geschleiften Bassläufe zu einer klaustrophobischen Mischung aus Erschöpfung, Paranoia und Tiefenentspannung. Damit ist „Unfidelity“ ein Musik gewordener Gegenentwurf – nicht nur zu den Dancefloorfillern der EDM-Szene, sondern auch den perfektionistischen Fusion-Fantasien, die Electronica-Bassisten wie Thundercat in der letzten Zeit veröffentlicht haben.

Ekoplekz: „Unfidelity“ (Planet Mu/Rough Trade)

Skrillex: „Recess“ (Big Beat/Atlantic/Warner)

Bei Ekoplekz ist der Bass so allgegenwärtig wie überflüssig, er dient letztlich nur als Impulsgeber im spärlich instrumentierten Trackgerüst, während die Effekte ein Eigenleben entwickeln dürfen und sollen. Nirgends hört man das so wunderschön wie auf „Pressure Level“, in dem ein minimal variierter, analoger Drumbeat so von Hall und Delay umgarnt wird, dass er langsam das Rhythmusraster verlässt und sich in einer Glückseligkeit wiederfindet, die statt der sequenzierten DNA aus Aussetzer und erneutem Aussetzer im wunderschönsten Chaos endet: „Unfidelity“ halt.

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