Neuer IAAF-Präsident: This Charming Man

Ex-Mittelstrecken-Champion Sebastian Coe ist neuer Präsident des Leichtathletik-Weltverbands IAAF. Ob er als Reformer in der Krise taugt?

Sebastian Coe

Markenname: „Lord Coe“ oder auch „Seb Coe“ Foto: Foto: reuters

Es gab auch bei der Versammlung des Leichtathletikweltverbands IAAF in Peking eine Testabstimmung – das ist in der Verbandspolitik nicht anders als im Bundestag. Nur sollte hier zuvorderst der elektronische Wahl-o-Meter geprüft werden, der in der Vergangenheit schon mal Ärger gemacht hatte. Die Probanden hatten dabei die Wahl zwischen den Symbolen Kirsche, Zitrone, Brotfrucht und Johannisbrot und einer Beere. Kirsche siegte im Probedurchgang.

Die Abstimmung, die dann tatsächlich stattfand, dürfte eher säuerlich und bitter als süß im Abgang sein. Der 58-jährige Brite Sebastain Coe wurde bei der IAAF-Vollversammlung zum neuen Präsidenten gewählt, er setzte sich mit 115 zu 92 Stimmen gegen den ehemaligen Stabhochspringer Sergej Bubka durch und löst den Senegalesen Lamine Diack ab, der den Verband 16 Jahre lang führte - eine eher durchschnittlich lange Amtszeit beim IAAF.

Nachdem die Leichathletikwelt vor der am Samstag beginnenden Weltmeisterschaft in Peking mit einer Dopingmeldung nach der anderen von sich reden macht, soll Coe eigentlich als Heilsbringer fungieren. Als wäre eine Krise wie die im Radsport Mitte der nuller Jahre nicht genug, leidet die Leichtathletik zudem an starkem Bedeutungsverlust. Die Zuschauer bleiben aus, die jüngere Generation wendet sich anderen Sportarten zu.

Coe kann gut mit dem Scheich

Dieser Sebastian Coe eignet sich da nicht wirklich als Reformer. In erster Linie ist Coe bis heute als zweifacher Olympia-Champion über 1.500 Meter bekannt. Der in London aufgewachsene frühere Mittelstreckenläufer war später Tory-Abgeordneter und Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 2012 in London.

Er ist in Verbandskreisen bestens vernetzt, unter anderem soll Coe, seit 2007 IAAF-Vizepräsident wie auch Konkurrent Bubka, über beste Beziehungen zum Sport- und Stimmenmogul Scheich Ahmad al-Fahad al-Sabah aus Kuwait verfügen. Coe ist zudem Geschäftsführer einer PR-Agentur für Sport und Entertainment (CSM), die etwa bei den Europaspielen in Baku oder bei den Spielen der Fußball-EM 2020 in Aserbaidschan Beraterfunktionen eingenommen hat.

Was den Kampf gegen Doping betrifft, fordert Coe zwar eine vom Verband unabhängige Antidopingagentur für die Leichtathletik ein – er war es aber auch, der im Zuge der neuesten Dopingenthüllungen von ARD und Sunday Times von einer „Kriegserklärung gegen meinen Sport“ sprach. In seinem „Manifesto“, das er zur Abstimmung veröffentlichte, ist die Wiederherstellung des Vertrauens in die Leichtathletik ein Punkt unter vielen – die bessere Vermarktung scheint für Coe oberste Priorität zu haben.

Fast wie die Geburt der Kinder

Coe punktete gegenüber Bubka mit Charme und Smartheit. Ein Hang zu Pathos und Überhöhung des Sports – siehe hier auch Sepp Blatter – ist auch ihm zu eigen. „Für die meisten zählt wohl die Geburt unserer Kinder zu den größten Momenten des Lebens“, sagte der vierfache Vater nach seiner Wahl, „für mich ist die Gelegenheit, mit euch allen zusammenzuarbeiten und nun gemeinsam die Zukunft unseres Sports zu gestalten, der zweitgrößte Augenblick in meinem Leben.“

Dem schwerfälligen Verband gegenüber hatten einige Athleten – darunter Robert Harting – kürzlich via Video ihr Misstrauen verdeutlicht. Im Führungsgremium des IAAF wird im Übrigen zukünftig kein Deutscher mehr sitzen, nachdem DLV-Präsident Clemens Prokop am Mittwoch nicht gewählt wurde. Coe hingegen, der auch unter den Namen Lord Coe und Seb Coe firmiert, stehen gewaltige Aufgaben bevor. Ein bisschen so, als solle man aus einer Zitrone eine Süßkirsche machen.

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