Neues Album von Heinz Strunk: Über Dackel und geile Fernsehköche

Der Hamburger Humorist wütet auf „Sie nannten ihn Dreirad“ mit der Brechstange durch die Lebenshilfeliteratur. Das ist verlockend.

Eine gewisse Verstörung ist bei seinen Werken vorprogrammiert: Heinz Strunk (Archivbild, 2010). Bild: dpa

Wenn sich Querflötensoli über stumpfe Elektro-Beats legen, wenn von „Scheißhausaliens“ und „Knochensuppe“ die Rede ist, dann ahnen die Liebhaber des virtuos-vulgären Dadaismus: Heinz Strunk veröffentlicht ein neues Album. Ein gewisses Maß an Verstörung ist immer vorprogrammiert bei Heinz Strunk, dem Hamburger Musiker, Schriftsteller und Mitglied des großartigen Quatsch-Kollektivs „Studio Braun“.

Dabei lassen sich die Stücke auf seinem neuen Album, „Sie nannten ihn Dreirad“, ziemlich genau in drei Kategorien aufteilen. Zum einen sind da die Glanzlichter des verqueren Nonsens, wie der Titel schon andeutet. Nummern wie „Rien ne va plus“ oder „Geht ja gar nicht“ funktionieren allein im Aufzählen von Gegensätzen: „Model ohne Zähne“ und „Planer ohne Pläne“ werden da genauso „besungen“ wie diejenigen, die auf die Idee kommen, „ohne Würmer zum Angeln“ zu gehen.

„Hallooo?“, dröhnt der verzerrte Strunk’sche Sprechgesang über Sirenengejaule, „Geht ja gar nicht!“. Strunks Humor geht indessen ganz ausgezeichnet auf. Etwa wenn er sich des eklatanten Mangels annimmt, der im deutschen Liedgut an Songs über den Dackel herrscht.

Auf „Dackelblut“ (natürlich auch als ironische Anspielung auf die inzwischen aufgelöste gleichnamige Hamburger Punkband zu verstehen) beschwört er zu sphärischen Klängen im Flüsterton die Geschichte einer Treibjagd: „Die glühend rote Sonne kocht das Hundeblut / die Stumme Meute hetzt in den Horizont.“ Eine hingebungsvollere Würdigung des drahthaarigen Kurzbeiners ist wohl kaum denkbar.

Heinz Strunk: „Sie nannten ihn Dreirad“ (Audiolith/Broken Silence/finetunes.net)

Ein anderer Typus des Strunk-Songs könnte dem Genre der Verachtungslyrik zugeschlagen werden. Objekt der Geringschätzung sind erbärmliche Gestalten: zu dick, zu alt, zu erfolglos.

Nicht mal marinieren

Strunks Abscheu quillt aus jeder Zeile, meist gepaart mit einem Hang zum Obszönen: Da ist etwa der „kleine, geile Fernsehkoch“, der von Molekularküche faselt, aber noch nicht mal marinieren kann, dieser „hartgefickte Kartoffel-Smutje“, dem Strunk bescheinigt: „Selbst dein Stockbrot hat scheiße geschmeckt damals“.

Live: 10.2. „Volksbühne“ Berlin, 14.2. „Waschhaus“ Potsdam, 19.2. „Gloria-Theater“ Köln, 20.2. „Skala“ Bielefeld.

Natürlich ist das nur witzig, weil es eigentlich traurig ist. Hinter den angewidert hingeschleuderten Hasstiraden auf die menschlichen Unzulänglichkeiten versteckt sich ein gehöriges Maß an Empathie. Wenn also in „Schwarzes Loch“ der adipöse Diätabbrecher als „gestautes Stück Teig“ beschimpft oder der liebesentwöhnte Großvater auf „Opalàmour“ als „geiler alter Klepper“ bezeichnet wird, ist man im Grunde auf der Seite der Verhöhnten.

Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der dritten Liedkategorie im Strunk-Universum: der Selbstoptimierungshymne. In der kalten, darwinistischen Gesellschaft, in der jeder für das eigene Glück verantwortlich ist, erweist sich Strunk als elektrifizierender Motivationsguru: Die Schneller-besser-weiter-Attitüde manifestiert sich etwa auf „Langsame Esser“ in einer Schmährede gegen die zeitverzögerte Essensaufnahme. „Träumen beim Essen“, mahnt Strunk, „ist schlimmer als Gewalt gegen Sachen, denn essen heißt immer noch und in erster Linie: fertig werden.“

Zu hohlen Synthies und aalglattem Euro-Trash-Frauengesang wird deshalb der „lachende Sieger“ besungen, das „Geschöpf des Lichts“, der „Tau der Hoffnung“ – mit anderen Worten: der schnelle Esser. Strunk vertont hier, was er kürzlich mit der Selbsthilfeliteratur-Parodie „Das Strunk-Prinzip“ bereits in Buchform veröffentlicht hat. Eine Collage der besten Floskeln gibt es auf dem famosen „Aufnehmen Bewerten Handeln“. Ein euphorischer Strunk ruft uns über Telefonwarteschleifengedudel kaum leugbare Weisheiten zu: „Nur wer loslässt, hat beide Hände frei / Coach dich selbst, sonst coacht dich keiner / Die besseren Töpfe stehen auf den hinteren Herdplatten.“

Man muss aufpassen, sich von so penetrant vorgetragenen Ego-Aufputschversuchen nicht tatsächlich anstecken zu lassen. Wobei, wieso eigentlich nicht? Wenn man es sich recht überlegt, möchte man doch lieber von Heinz Strunk gecoacht werden als von sich selber.

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