Neues Album von Sunn o))): Das große Brummen

Die US-Band Sunn o))) ist laut, düster und die erfolgreichste Gruppe des Drone- oder Doom-Sounds. Warum sind diese Klänge so populär?

Kutte, Kapuze, Nebel: In diesem Outfit wummern und dröhnen Sunn o))) vor sich hin Foto: Peter Hönnemann

In Pittsburgh, Pennsylvania, erfreut sich, wie man hört, ein Yogastudio großer Beliebtheit, in dem sogenanntes Black Yo)))ga praktiziert wird. Es handelt sich dabei um eine Schule der Meditation, die sich – daher der Name mit den seltsamen Klammern – zu Klängen der US-amerikanischen Band Sunn o))) und artverwandten Gruppen in Einkehr übt.

Dies könnte irritierend sein, denn während man Meditation üblicherweise mit Stille, mit Licht verbindet, steht die Band für einen Sound, der zwischen den Stilen Drone und Doom liegt und vor allem eines ist: laut und düster.

Sunn o))) ist die weltweit erfolgreichste Gruppe dieser Genres. Die Bezeichnung für die in Seattle und Paris ansässige Band passt durchaus: to drone bedeutet dröhnen, brummen, summen, doom ist der Untergang, die Verdammnis. „Doom Metal“ ist bereits bei Black Sabbath, den Gründervätern des Metal, angelegt.

Das Bild, das Sunn o))) auf der Bühne abgeben: drei bis vier Kutte und Kapuze tragende Musiker, die, in synthetischem Nebel versunken, mehr ein Zeremoniell abhalten denn ein Konzert geben. Hinter den Musikern Türme von Verstärkerboxen, eine wall of sound, die scheinbar endlos ausklingende Akkorde zu wummerndem Gedröhne werden lässt.

Die Zeremonienmeister, das sind die Gründer Greg Anderson (Bass, Gitarre) und Stephen O’Malley (Gitarre), Sänger Attila Csihar (der auch bei der Black-Metal-Band Mayhem singt) und Tos Nieuwenhuizen an den Synthesizern – eine in der Musikszene der Niederlande legendäre Figur in Independent-Kreisen.

Anderson undO’Malley riefen die Gruppe 1998 als Duo ins Leben, benannten sie nach der Gitarrenverstärkermarke Sunn und imitierten auch gleich deren Logo. Musikalisch orientierte man sich an den Drone-/Doom-Vorreitern von Earth oder auch an Noise-Pionieren wie den Melvins, gab Black-Metal-Fanzines heraus und gründete das eigene Label Southern Lord Records. Ihre Alben, auch das kürzlich erschienene siebte Werk „Kannon“, sind geprägt von epischen Tracks in einer Länge von oft mehr als zehn Minuten. Und fast immer durch die Abwesenheit von Beat. Drums gibt es nicht, da ist nur dieses Brummen.

Nicht nur Weirdos

Sunn o))) nur als harte, laute Band abzuhandeln, wäre falsch. Sie sind – und das verbindet sie mit den Yogajüngern auf den Matten – eher ein spirituelles Phänomen unserer Zeit. Ihre Konzerte sprechen längst nicht mehr nur Weirdos und Nerds an.

Drone und Doom sind im Mainstream angekommen, und Sunn o))) bilden die Speerspitze dieses Sounds. Bereits für mehrere Festivals, wie jüngst das renommierte „Le Guess Who?“ in den Niederlanden, kuratierten Sunn o))) das Programm. Über ihren Erfolg sagtO’Malley im telefonischen Interview: „Die Leute sind heute open-minded genug, um eine Band wie uns zu schätzen. Es ist eine Neugier auf diese Art von Klänge, die von sehr vielen Seiten kommt.“

Überrascht ist der US-Künstler, als ich ihn frage, was die Gründe für die Popularität dieser Musik sein könnten. „Eine Theorie, die ich habe, ist, dass im Internetzeitalter ein Vakuum in Sachen Empfinden und Spiritualität entstanden ist“, sagt er. „Ich glaube, die Leute suchen nach Erfahrungen, die sehr real sind. Was wir tun, geht so stark auf das Körperliche, dass ein solcher Effekt eintreten kann.“

Die Neugier auf die Band kommt aber auch aus Kreisen, von denen man das nicht unbedingt erwartet. Aliza Shvarts, die in Yale Performace Studies lehrt, hat in einem Essay eine feministische Deutungsweise des Drone-Sounds der Band vorgeschlagen – ausgerechnet für ein Genre, dem oft Repräsentationsformen der Männlichkeit nachgesagt werden. Die Körperlichkeit des Sounds bewertet Shvarts als eine Befreiung unterdrückter (weiblicher) Körperlichkeit. In ihrer Interpretation reicht das bis zur Emanzipation von reproduktiven Tätigkeiten.

Mit „Kannon“, für das Shvarts die Liner-Notes schrieb, sieht sie diese Thesen bekräftigt. „Kannon“ (oder „Guanyin“) ist im Buddhismus eine weibliche Gottheit des Mitgefühls. Etymologisch hergeleitet heißt „Kannon“ so viel wie: „die Töne der Welt wahrnehmend“. Shvarts sieht auf dem Album die geschlechtlich eindeutig weibliche Zuschreibung der Gottheit als überwunden an: Kannon könne bei Sunn o))) männlich wie weiblich sein.

Auf „Kannon“ sind mehr Songstrukturen erkennbar als bei früheren Werken. Nach einem Feedback-Intro gibt es gleich zu Beginn einige Akkordwechsel; es sind tiefe verzerrte Gitarren zu hören – hier und da schimmern Melodienbögen durch. Auffällig ist der knarzig-knarrende Gesang Csihars, man muss unweigerlich an Liturgien denken. Zwei Stücke beruhen auf alten Demos, das dritte basiert auf einer Live-Improvisation. Bei diesem Stück kreischt Csihar eher, die Gitarren flirren in höheren Tonlagen.

„Es ist kein religiöses Album, kein Konzeptalbum, auch kein buddhistisch-orientalistisches“, sagtO’Malley, „eine Idee macht es nur einfacher, an ein Album heranzugehen. Es ist für Attila auch einfacher, die Texte schreiben.“ Ihn selbst habe zuletzt die Musik des indischen Vokalisten Zia Fariduddin Dagar, einem Vertreter der klassischen hinduistischen Musik, geprägt. Sie alle aber hätten unterschiedliche musikalische Vorlieben – er habe sich auch mit Minimal Music beschäftigt.

Musik und Eskapismus

Sunn o))): „Kannon“ (Southern Lord/Soulfood).

Ob sich der Prozess des Songschreibens und der Produktion stark von konventionellem Songwriting unterscheide, frage ichO’Malley. „Was ist ein konventioneller Weg, einen Song zu schreiben?“, fragt er zurück. Kurz darauf steht die Erkenntnis, dass Sunn o))) ihre Songs vielleicht gar nicht so viel anders schreiben als die Beatles. „Jemand hat eine Songidee, und die bringt er dann mit zur Probe. Diese Idee muss allerdings am Anfang stehen. Das ist selbst bei stark improvisierten Stücken so.“

Eigentlich, so sagtO’Malley, sei Sunn o))) eine Band, die auf einer ästhetizistischen Haltung beruhe: „Es geht bei unserer Musik um Eskapismus, um die Abwesenheit von Politik, um die Schönheit der Kunst und der Musik.“ Am Ende ist es sicher auch das, was Tausende von Menschen auf ihre Konzerte lockt: dass da nur Töne sind. Die Abwesenheit von allem anderen. Das kann durchaus meditativ sein.

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