Neues Buch über Gregor Gysi: „Ich bin ein Zweckoptimist“

Stephan Hebel hat ein langes Interview mit dem Ex-Fraktionschef der Linken geführt. Das Buch dazu wurde am Freitag vorgestellt.

Gregor Gysi im Gespräch. Foto: dpa

Im Sommer diesen Jahres wurde es offiziell: Gregor Gysi tritt von der Spitze der Bundestagsfraktion ab. Da musste schnell ein Buch her. „Ausstieg links? Eine Bilanz“ ist die Aufzeichnung eines langen Interviews mit Stephan Hebel. Die im Oktober erschienene Publikation haben die beiden am Freitag im Berliner Ensemble vorgestellt.

Vor einer Woche erst hatte Guido Westerwelle sich denselben Ort ausgesucht, um seinerseits sein Buch vorzustellen. Doch die Räumlichkeiten sind andere. Statt eines pompösen Saals wird für Gysis Buchvorstellung der Proberaum des Berliner Ensembles benutzt: graue Klappstühle, unverkleidete Wände voller Rohre, Gerüste und Kabel. Der Altersdurchschnitt der BesucherInnen liegt zwischen 70 und 80; die Rentner lesen Süddeutsche Zeitung und rufen „lauter!“, wenn sie das Gesagte trotz der Mikrofone nicht so gut hören.

Gregor Gysi sieht man sein Alter hingegen immer noch nicht an. Eloquent wie gewohnt antwortet er auf Hebels Fragen und lässt es dabei nicht an kleinen Witzen fehlen. Wie kam es zur Linkspartei, welche Prozesse und Wandel wurden durchgemacht, welches Programm steht in der Partei heute im Mittelpunkt?

Der ehemalige DDR-Anwalt Gysi rückt bei diesen Fragen das Soziale in den Mittelpunkt. Sowohl im Buch als auch bei der Veranstaltung betont er dabei den Stellenwert der Rechtsstaatlichkeit – was banal klingen mag, vor allem aber das Bild der vermeintlich autoritären Linken entkräften soll.

Stephan Hebel/Gregor Gysi: "Ausstieg links? Eine Bilanz" Westend Verlag 2015, 216 Seiten, 16,99 Euro

Gysis Einschätzungen zu aktuellen politischen Themen sind ausführlich und klar verständlich. Es geht um Syrien, um Geflüchtete und sogar um Til Schweiger. Seine vorwiegend positive Haltung gegenüber vielen schwierigen Themen nennt Gysi „Zweckoptimismus“.

Bilanz der eigenen Karriere

Aber es geht auch um die Bilanz der eigenen Karriere, um einen Rückblick auf vergangene Niederlagen und Erfolge. Hebel stellt Gysi in der Zeit der Wende als Vermittler dar. Die meisten SED-Anhänger, so die Einschätzung, seien bei der Wiedervereinigung nicht links gewesen, sondern eine kleinbürgerliche Mitte, die orientierungslos geworden war.

Dieses Kleinbürgertums habe Gysi sich angenommen. Die Familiengeschichte des Politikers – Gysi kommt aus einer jüdischen und kommunistischen Familie, die gegen das NS-Regime agierte – mag es so manchem erleichtern, Verständnis für seine parteinahe Rolle in der DDR aufzubringen. Zumindest macht Gysi keinen Hehl aus seinen „Fehlern“. Ob das der Erklärung genug ist oder vielleicht doch nur Schönreden, bleibt allein den Leser*innen überlassen.

Stephan Hebel hat mit seinem Buch das richtige Format gewählt. Einem so redefreudigen Gesprächspartner konnte man nur durch ein Interview gerecht werden, in dem die Stimme des Ex-Fraktionsvorsitzenden förmlich durch die Zeilen hindurch klingt – etwa, wenn Gysi seine üblichen Scherze macht. Aber auch, wenn er Dialoge in voller Länge nachahmt. So liest sich das Buch so leicht und fließend, wie Gysi redet.

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