Neues Konzept zum Zivilschutz: Vorrat für den Fall der Fälle

Die Bundesregierung arbeitet am neuen „Konzept für die Zivilverteidigung“. Darin rät sie unter anderem, Lebensmittel und Wasser vorzuhalten.

Dosen mit russischem Kaviar

Vorrat für den Notfall: Hauptsache, die Grundversorgung ist gesichert Foto: dpa

BERLIN taz | Stufe 1 ist noch harmlos. Manche Supermärkte müssen in den ersten Stunden des Stromausfalls schließen, in den Filialen mit Notstromaggregaten läuft der Betrieb derweil aber weiter.

Stufe 2 ist schon kritischer. Nach ein paar Stunden sind die Aggregate leer, das Personal stellt manuelle Kassen auf und reduziert die Preise für Tiefkühlprodukte, die sich nach einer Nacht ohne Strom nicht mehr verkaufen lassen.

Ab Stufe 3 wird es gefährlich: Nach wenigen Tagen sind die Grundnahrungsmittel ausverkauft. Nachschub kommt nicht an, da ohne Strom auch keine Tankstellen funktionieren. Nach spätestens einer Woche sind in den meisten Haushalten die Vorräte alle. In den wenigen Filialen, die noch geöffnet haben, beginnen Plünderungen.

Das prophezeit zumindest das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, das vor einigen Jahren durchspielte, was geschehen würde, falls in Deutschland einmal flächendeckend über mehrere Tage der Strom ausfällt.

Deshalb soll die Bevölkerung nun wieder Vorräte für den Katastrophenfall anlegen: Diese Meldung verursachte am Wochenende Aufregung. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatte aus dem neuen „Konzept für die Zivilverteidigung“ zitiert, das die Bundesregierung am Mittwoch beschließen und präsentieren wird. Demnach empfiehlt die Regierung unter anderem, in jedem Haushalt Lebensmittel für zehn Tage und zehn Liter Wasser pro Person vorzuhalten.

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag prophezeit, dass nach ­spätestens einer Woche Stromausfall ­Plünderungen ­beginnen

Die Opposition gibt sich empört. „Man kann die Menschen mit immer neuen Vorschlägen, so auch zu Hamsterkäufen, völlig verunsichern“, sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch dem Kölner Stadtanzeiger. Ein Sprecher des Innenministeriums hält am Montag dagegen: „Es gibt seit Langem bestimmte Hinweise, Hilfestellungen und Tipps, was man tun kann, um im privaten Rahmen Vorsorge zu treffen.“ Das neue Konzept sei schon lange geplant und habe mit Panikmache nichts zu tun.

Und wer von den beiden hat nun recht?

Einige Zeit lang schien es so, als sei Zivilschutz hierzulande nicht mehr nötig. „Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert“, schrieb das Innenministerium im Jahr 1994, kurz nach Ende des Kalten Kriegs, in das damalige neue Zivilschutzprogramm. Die Vorsorgemaßnahmen müssten an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden.

Anpassen bedeutete dabei in erster Linie: abschaffen. Die Bundesregierung wickelte das Bundesamt für Zivilschutz ab und schloss den Regierungsbunker im Ahrtal bei Bonn. Zuvor hatte das Land Berlin schon die sogenannte Senatsreserve abgeschafft, ein Lebensmittellager für den Fall einer zweiten Berlin-Blockade.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und der Elbeflut im Jahr darauf dachte die Bundesregierung aber um. Von nun an setzte sie wieder auf Vorsorge und richtete in Bonn das „Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ (BBK) ein. Die Behörde rät schon lange, private Vorräte anzulegen. In einer Checkliste führt sie Lebensmittel auf, die für 14 Tage ausreichen.

Wer für den Notfall vorsorgen will, richtet sich nach der Einkaufsliste des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katas­trophenhilfe. Die Behörde rät dazu, Lebensmittel für zwei Wochen zu bunkern. Pro Person sei folgender Grundvorrat nötig:

28 Liter Getränke

4,9 Kilo Getreideprodukte, Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis

5,6 Kilo Gemüse und Hülsenfrüchte

3,6 Kilo Obst und Nüsse

3,7 Kilo Milch(-produkte)

2,1 Kilo Fleisch, Fisch und Eier

0,5 Kilo Fette und Öle

Sonstiges nach Belieben

Wer auf Fleisch und Tierprodukte verzichtet, hat es schwieriger. „Es gibt keine spezielle Liste für Vegetarier oder Veganer“, sagt ein Sprecher des Bundesamts. „Wir empfehlen jedoch die vorhandenen Checklisten auf die jeweilige Lebenssituation und Essgewohnheiten anzupassen.“ (ts)

Vor einigen Jahren bekam die Regierung aber ein Problem: Der Bundesrechnungshof kritisierte, dass es nun zwar eine neue, teure Behörde gebe – hinter der aber kein Plan stecke. „Der Bund hat weder ein seiner Zuständigkeit entsprechendes Zivilschutzkonzept noch gibt es ein Gesamtkonzept von Bund und Ländern zum Bevölkerungsschutz“, monierte der Rechnungshof. Auf diese Kritik reagiert die Regierung nun mit dem neuen Zivilschutzkonzept.

Darin nimmt sie nicht nur den Rat auf, Vorräte anzulegen. Vorgesehen sind auch dezentrale Erdölspeicher, Trinkwasserbrunnen, eine Aufstockung der Impfstoffvorräte und etliche weitere Maßnahmen.

Für welche Fälle sorgt die Regierung aber konkret vor? Das Konzept gehe „nicht in eine bestimmte Gefährdungsrichtung, zum Beispiel Terrorismus“, heißt es aus dem Innenministerium. Es betreffe „genauso Szenarien wie Hochwasser oder Ähnliches“. Ein mögliches Szenario nennt das BBK in seinem Jahresbericht: „Die Bedrohungsformen haben sich verändert, wie unter anderem Angriffe aus dem Cyberraum zeigen.“ Zumindest theoretisch sind sogar Hackerangriffe auf das Energiesystem denkbar. Womit wir wieder beim Stromausfall im Supermarkt wären.

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