Neurechte Provokateure im Netz: Wie Pepe der Frosch Rassist wurde

Einst waren Tabubruch und Transgression linke Methoden für progressive Zwecke. Nun werden sie von neurechten Trollen im Netz übernommen.

Eine Zeichnung zeigt ein Blid von einem Frosch neben einem Sarg, in dem ein Frosch liegt

Kurzzeitig tot: Wegen der Kooptierung von „Pepe“ durch Rechte hatte sein Erfinder ihn kurzzeitig für tot erklärt Foto: ap

Die Geschichte von Pepe dem Frosch ist eine dieser verwirrenden In­ternetangelegenheiten. Eigentlich war die krakelige, grüne Figur der Antiheld einer kurzlebigen Netz-Comicserie, wurde aber von Internettrollen in den letzten Jahren als Symbolfigur für Trump-Unterstützer vereinnahmt. Neuerdings versucht die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, mit einer blauen Variante von Pepe Stimmung gegen Ausländer zu machen. Die Wandlung Pepes von der Nonsense-Ikone zum Symbol für einen hasserfüllten Rechtspopulismus – das ist dieselbe Richtung, in die sich auch die Trollszene der USA entwickelt hat.

Trolle waren ursprünglich Internetprovokateure, die in Diskussionsforen durch bewusst dreiste Kommentare andere zum Ausrasten bringen wollten. Ihre natürliche Habitat ist 4Chan, ein frei zugängliches Internetforum, in dem alle Posts anonym sind. So erklärt sich auch der Name Anonymous der Internetprotestbewegung, die in den nuller Jahren aus dem Forum hervorging und sich für Redefreiheit und Unabhängigkeit des Internets engagierte. Doch inzwischen hat sich 4Chan zu einer Internethassmaschine entwickelt, in der Verschwörungstheorien, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus an der Tagesordnung sind.

Eine ernsthafte politische Einstellung oder ein weiterer Versuch, durch besonders provokante Ansichten den Rest des Internets gegen sich aufzubringen? Letztlich ist das egal, argumentiert die irische Autorin Angela Nagle in ihrem gerade erschienen Buch „Kill All Normies“, der ersten Auseinandersetzung in Buchlänge mit der seltsamen Verbindung zwischen Internetsubkultur und amerikanischem Rechtspopulismus. Selbst wenn das alles nur ein Witz sein sollte, sind die Polittrolle für sie zu einer wichtigen Stimme der Alt-Right-Szene geworden. So wie Websites à la Breitbart oder Info Wars hätten auch sie durch toxische Rhetorik und ätzende Memes zu der extremen Polarisierung beigetragen, die die politische Landschaft in den USA inzwischen prägt.

Nagle beschreibt, wie die Hacker-Methoden, mit denen Anonymous vor zehn Jahren gegen Zensur kämpfte, plötzlich für erzreaktionäre Zwecke eingesetzt werden. Doch der Antifeminismus und die Xenophobie der Internettrolle ist nicht der von klassischen US-Konservativen wie Pat Buchanan, wie Nagle am Beispiel des inzwischen in Ungnade gefallenen Breitbart-Mitarbeiters Milo Yiannopoulos zeigt. Der Provokateur inszenierte sich einerseits aggressiv als „dangerous faggot“ mit platinblond gefärbten Haaren und Perlenketten am Hals, hetzte aber andererseits gegen Muslime, die Linke, Feminismus und politische Korrektheit.

Im südbadischen Oberrimsingen feiern sie ein großes Fest. Was ist es, das ein Dorf zusammenhält? Das steht in der taz.am wochenende vom 5./6. August. Außerdem: Das Bienensterben könnte uns alle ins Verderben führen. Manche wollen deshalb Bienen im Baum halten. Letzte Rettung oder Schnapsidee? Und: Der Schweizer Martin Suter ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller im deutschsprachigen Raum. Ein Gespräch. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Als eine Art Lady Gaga der Alt-Right konnte Yiannopoulos mit diesem Stil bei jungen Leuten punkten (so inkohärent seine Ansichten sein mögen), für die der klassische US-Konservativismus mit Patriotismus, „family values“ und protestantischer Frömmigkeit keine coolen Anknüpfungspunkte bot. Wer ihm folgt, ist auf einer Kreuzfahrt gegen die doofen „Normies“, die’s einfach nicht kapiert haben.

Triumph über die Linke?

Die Trolle hätten damit Methoden von Tabubruch und Transgression kooptiert, die als Waffe für linke und progressive Zwecke galten. Methoden der Provokation und der ironischen Vereinnahmung von Popkultur würden dazu eingesetzt, um linke Gegner lächerlich zu machen. Das führt zu einem von obskuren Referenzen durchsetzten Durcheinander von ideologischen Fragmenten, die aber zu einer kurzzeitig relativ schlagkräftigen Koalition von allerhand rechten Extrempositionen geführt hat.

Angela Nagle: „Kill All Normies. Online Culture Wars from 4Chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right“. Zero Books, London 2017, 120 S., £ 9,99

Nagle führt ihre Leser geduldig durch diese ominöse Welt, die sich – wie die ähnlich amorphe Anonymous-Bewegung – schnell als weiterer Sturm im Internetwasserglas erweisen könnte, der man zu viel Bedeutung beimisst, wenn man ihre Sprachregelungen und Symbolik so detailfreudig auseinandernimmt, wie es hier geschieht. Aber wie ähnliche Entwicklungen bei der amerikanischen Linken zeigen – die Nagle immer wieder mit der Blogging-Plattform Tumblr in Verbindung bringt, ohne das je richtig zu erklären –, etabliert sich hier ein Politikstil, in dem Sachlichkeit und Wille zum Kompromiss zugunsten von schrillen, aufmerksamkeitsstarken Provokationen zurücktreten.

Ob das allerdings ein Triumph der neurechten Quatschköpfe über die Linke ist, wie Nagle andeutet, ist noch nicht ausgemacht. „You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time“, soll Abraham Lincoln einst gesagt haben. Das müsste eigentlich auch für Pepe den Frosch gelten.

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