New Weird Bavaria: Ich möchte gern eine Mikrowelle sein

Hier müssen sich die Synthies beim Blubbern nicht zurückhalten: „Mars etc.“, das überschwängliche neue Album von Aloa Input.

Und dann macht es Krk: Aloa Input. Bild: Tanja Kernweiss/Morr Music

„New Weird Bavaria“ hieß 2013 eine brauchbare Losung: Sie stellte klar, dass es bayerische Bands gab, die Besseres zu tun hatten, als mit Blechbläsern Traditionelles in die Welt hinauszuposauen und auf krachledern zu machen. Und widerlegten damit den weitverbreiteten Eindruck, der Süden sei zur musikalischen Trockenzone geworden. Auch dort interessiert man sich nämlich für Musik jenseits von Folk oder Volk und auch dort gibt es MusikerInnen, die Blaskapellen allenfalls als regionale Spezialität der Kategorie Weltmusik einordnen.

Die Band, die dabei durch musikalisches Kennertum einerseits und ein Gefühl für interessante Popsongs anderseits herausstach, hat jetzt ihr zweites Album vorgelegt. Nico Beck, 30, Florian Kreier, 31, und Marcus Grassl, 32, nennen sich immer noch Aloa Input und haben sich für die Aufnahmen von „Mars etc.“ in einen Leuchtturm auf der kroatischen Insel Krk zurückgezogen. Anders als noch beim Debüt, das teilweise in Berlin und in einer Berghütte in den Alpen entstand.

Diesem Leuchtturm mussten sie nach einem Kabelbrand zwar ein Keyboard opfern, ansonsten hat er ihre musikalische Kreativität wunschgemäß beflügelt. Diese nährt sich im Fall von Aloa Input nicht nur von Leuchtturm, Luft und Liebe, sondern vor allem durch musikalische Referenzen von den Beach Boys bis Beach House, von den Beatles bis zu den Beastie Boys.

Hört man „Mars etc.“ als Ansammlung von Anspielungen, die von HipHop über Folk und Indie bis zu Krautrock und Blues reichen, darf man jedoch eines nicht vergessen: Dass das eigentlich die zweite Ebene von musikalischem Genuss ist. Auf der ersten Ebene hört sich das so an: „Far Away Sun“, das den starken ersten Teil von „Mars etc.“ eröffnet, lässt als Intro einen schwerfälligen, leicht kaputten Roboter hochfahren. Einmal in Gang gesetzt, bewegt er sich zu einem klappernden Schlagzeug fort, der Gesang in viel Hall getunkt, irgendwo schält sich aus den Tiefen der Sounds auch ein Sample heraus. So rumpelt es gemütlich durch die ersten drei Minuten des Albums – und betont gemütlich und gelassen geht es weiter.

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Eigentlich spielen Aloa Input Slacker-Musik: Das „etc.“ nach dem „Mars“ im Titel kann nicht nur für die Weite des Alls stehen, sondern auch für den Müßiggang im Allgemeinen und Maulfaulheit im Speziellen. Ist doch eh klar, was kommt. Was bewahrt diese Band also vor dem Vorwurf, reine Wohlfühlmusik zu machen? Erstens, natürlich die verstreuten musikalischen Referenzen. Zweitens, die Lust am instrumentalen Überschwang, der immer wieder hervortritt, auch wenn die Songs meistens brav in die 3-Minuten-Schablone gedrückt sind.

Überschwang heißt: Da müssen sich die Synthies beim Blubbern nicht zurückhalten, da darf die Gitarre ausbrechen, da reitet der Beat auch einmal trockener und treibender. Es sind diese kleinen Unterschiede, die die Songs auf „Mars etc.“ von der Indie-Masse abheben und sie jenseits der Referenz-Spielereien interessant machen. Was Aloa Input hinbekommen hat, ist die Symbiose aus Eigensinn, Zitat und Popsong.

Alle diese Schichten treten beim Hören nicht gleichzeitig hervor, was gerade eine Stärke von „Mars etc.“ ist. Man kann den Pop-Song hören oder das Beatles-Zitat – und sich dann wundern, was dieses Voice-Sample hier schon wieder soll. Dann bleibt man vielleicht auch an den versponnenen, oft sehr treffenden Textzeilen hängen: „I’m a chainsaw / I wanna be a microwave instead“, heißt es in „21st Century Tale“. Wer sucht, findet eine ganz Handvoll solcher Bonmots über die Welt, in der wir leben.

„New Weird Bavaria“ muss man das nicht unbedingt nennen, auch wenn die Bezeichnung auch für „Mars etc.“ ihre Gültigkeit hätte. Wahrscheinlicher ist, dass sich Aloa Input von dieser Wahrnehmung emanzipieren. Aloa Input brauchen keine Bewegung mehr, sie können jetzt als Eigenmarke bestehen. So gemütlich ihre Musik, so irre seltsam ihre Referenzen und so popaffin ihr Sound auch sein mag.

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