Niedersachsen beobachtete Journalisten: Niederlage für den Verfassungsschutz

Der niedersächsische Verfassungsschutz steht in der Kritik, weil er jahrelang Daten über Journalisten gesammelt hat. In einem Fall wurde er jetzt zur Löschung verurteilt.

Hatte beim Amtsantritt Aufklärung zugesagt: Die Chefin des niedersächsischen Verfassungschutzes, Maren Brandenburger. Bild: dpa

GÖTTINGEN dpa | Der in die Kritik geratene niedersächsische Verfassungsschutz hat eine juristische Niederlage erlitten. Das Verwaltungsgericht Göttingen verurteilte den Geheimdienst am Mittwoch dazu, die über einen Göttinger Journalisten gesammelten Daten zu löschen.

Der Verfassungsschutz hatte den Journalisten als möglichen politisch linksmotivierten Straftäter eingestuft. Dafür ergeben sich aus den bekanntgewordenen Daten, die der Geheimdienst gespeichert hat, keine Anhaltspunkte, sagte Gerichtspräsident Thomas Smollich als Vorsitzender Richter in der Urteilsbegründung. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens hatte der Verfassungsschutz dem Journalisten mitgeteilt, dass er jahrelang beobachtet wurde und personenbezogene Daten über ihn gespeichert seien.

Der Verfassungsschutz hatte unter anderem registriert, dass der Journalist beim Göttinger „Stadtradio“ arbeitet, weil im Rahmen des Bürgerfunks, für den der Redakteur überhaupt nicht verantwortlich ist, Linksradikale zu Wort gekommen seien. Zudem habe der Journalist an Demonstrationen teilgenommen. „Was soll daran verfassungsfeindlich sein?“, hatte der Vorsitzende Richter schon während der Verhandlung gefragt. Die Teilnahme an Demonstrationen sei schließlich ein Grundrecht.

Die Vertreter des Verfassungsschutzes verwiesen darauf, dass es „weitere Erkenntnisse“ über den Journalisten gebe, über die man aus Geheimhaltungsgründen nicht sprechen könne. Dies ließ das Gericht als Grund für das Datensammeln nicht gelten. Es sei zwar höchstrichterlich entschieden, dass Verfassungsschützer nicht alle gewonnenen Erkenntnisse öffentlich machen müssen, sagte Smollich. „Aber was wir nicht kennen, können wir nicht zur Grundlage unserer Entscheidung machen.“ Deswegen müssten die bekannten Daten in jedem Fall gelöscht werden.

„Alles Unsinn“

Der Verfassungsschutz hatte nach eigenen Angaben 1997 damit begonnen, Daten über den Redakteur zu sammeln. Er soll nach Durchsuchungsaktionen in Verdacht geraten sein, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bekämpfen. „Alles Unsinn“, sagte der Anwalt des Journalisten, Sven Adam. Das damalige Strafverfahren sei eingestellt worden. Sein Mandant habe zudem niemals verfassungsfeindliche Bestrebungen gehabt, sondern stets nur seine Arbeit gemacht und deshalb auch Demonstrationen beobachtet. Ein Themenschwerpunkt des Journalisten ist Rechtsextremismus.

Den weitergehenden Antrag des Anwalts, den Verfassungsschutz zur Löschung sämtlicher über den Redakteur vorhandenen Daten zu verpflichten, müsse das Gericht ablehnen, sagte Smollich. Da die Behörde sich rechtmäßig weigern könne, alle gespeicherten Erkenntnisse zu offenbaren, habe dies für den Journalisten „die bedauerliche Konsequenz“, dass er – anders als bei den bekannten Daten – keinen ausreichend konkreten Löschungsantrag stellen könne.

Der niedersächsische Verfassungsschutz war in die Kritik geraten, nachdem bekanntgeworden war, dass er – zumindest in früheren Jahren – auch Journalisten verbotenerweise beobachtet hatte. Die neue Präsidentin Maren Brandenburger hatte Aufklärung zugesagt. (Az: 1 A 246/11)

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