Niedersächsische Polizisten bleiben zu Hause: Innenminister will nicht teilen

Niedersachsens Polizisten sollen in Zukunft weniger in anderen Bundesländern aushelfen. Bisher sendete das Land mehr Einsatzkräfte aus als kamen

Sollen künftig weniger unterwegs sein: Polizisten aus Neidersachsen Foto: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsen will weniger Polizisten an andere Bundesländer ausleihen. „Auswüchse wie zu Zeiten Pegidas, als wir fast dauerhaft in anderen Bundesländern präsent waren, können wir bei aller Solidarität in der Form nicht mehr akzeptieren“, sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). Zumal viele der Länder, denen Niedersachsen helfe, gleichzeitig Beamtenstellen strichen.

Man werde Amtshilfeersuchen künftig restriktiver prüfen, erklärte Ministeriumssprecherin Svenja Mischel. Es solle stärker abgewogen werden, ob das Land die Polizisten für eigene Einsätze benötige. In den vergangenen Jahren habe Niedersachsen deutlich mehr Einsatzkräfte in andere Bundesländer geschickt, als aus diesen nach Niedersachsen kamen, sagte Mischel.

Dass sich der Bund und die Länder gegenseitig bei Einsätzen unterstützen, ist im Grundgesetz geregelt. In Paragraf 35 steht, dass sich die Behörden aushelfen, wenn sie sonst „eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen“ könnten. Das kann bei Naturkatastrophen, Demonstrationen oder auch Fußballspielen der Fall sein.

„Ohne diese Solidarität wäre die erfolgreiche Bewältigung besonderer Einsatzlagen nicht immer zu gewährleisten“, sagt auch Mischel. Niedersachsen habe schon oft von dieser Solidarität profitiert, etwa bei den vielen Castor-Transporten, die von Tausenden Polizisten gesichert wurden oder beim Besuch des damaligen US-Präsidenten Barack Obama in Hannover im vergangenen Jahr. Niedersachsen wolle deshalb auch in Zukunft Polizisten in andere Bundesländer schicken, nur eben nicht mehr so oft.

Niedersächsische Bereitschaftspolizisten haben im vergangenen Jahr in 48 Einsätzen andere Länder unterstützt. 2015 waren es 51 Einsätze.

Der größte Einsatz in 2015 war die Sicherung des G7-Gipfels im bayerischen Elmau. Dieser machte die Hälfte der Einsatzstunden dieses Jahres in anderen Bundesländern aus.

Geschickt hat Niedersachsen neben Bereitschaftspolizisten auch Reiter und Diensthundführer.

Andere Bundesländer haben Niedersachsen 2016 sechsmal und 2015 dreimal unterstützt. Dabei ging es um Fußballspiele, Demonstrationen und den Besuch von Barack Obama in Hannover.

Dietmar Schilff, der Vorsitzende der niedersächsischen Gewerkschaft der Polizei (GdP), findet das richtig. „Wir haben uns viel zu oft angeboten“, sagt er. Die Behörden zahlten für die Unterstützung aus anderen Ländern Geld. „Das wurde oft mitgenommen“, sagt Schilff. Es sei aber wichtig zu schauen, ob die Bereitschaftspolizisten nicht im eigenen Land gebraucht würden. Denn wenn die regulären Einsatzkräfte eingespannt sind, müssen normale Streifenpolizisten oder Ermittler aushelfen, um etwa ein Fußballspiel in Wolfsburg oder Hannover zu sichern. „Das geht zu Lasten der Alltagsarbeit“, sagt Schilff. Die Polizisten müssen diese Überstunden auch irgendwann wieder abbummeln.

Unsolidarisch findet der Gewerkschaftsführer es nicht, wenn Niedersachsen die anderen Länder weniger unterstützt. Im Gegenteil: „Es ist unsolidarisch, wenn andere Länder ihre Bereitschaftspolizei nicht gut ausstatten.“

Die niedersächsische Polizei selbst hat den höchsten Personalbestand ihrer Geschichte. Samt Verwaltungsmitarbeitern umfasst der Polizeiapparat rund 23.000 Stellen. Reine Polizeibeamte gibt es rund 18.500. Weil die niedersächsische Polizei so gut ausgestattet sei, werde sie gern von anderen Ländern angefragt, sagt GdP-Chef Schilff.

Innenminister Pistorius hat sich mit den Einsätzen zu den Pegida-Demonstrationen auf Bundesländer wie Sachsen bezogen. Dort waren die Rechtspopulisten besonders umtriebig. Das sächsische Innenministerium hatte in der Vergangenheit rund 2.000 Stellen im Polizeidienst abgebaut, versucht diesen Trend aber gerade umzukehren. Auf die Ankündigung von Pistorius reagiert das dortige Innenministerium entspannt. „Wir fahren bisher mit gegenseitiger Solidarität gut“, sagt Ministeriumssprecherin Pia Leson. Eine Änderung müsse Niedersachsen in der Innenministerkonferenz besprechen.

Pistorius kündigte an, erst nach dem G-20-Gipfel in Hamburg weniger Polizisten ausleihen zu wollen. Doch auch hierzu gibt es strategische Überlegungen. So wolle das Ministerium erst prüfen, wie die Lage im benachbarten Lüneburg sei und wie viele Polizisten hier benötigt würden, sagt Sprecherin Mischel. Erst dann werde Pistorius „über ein entsprechendes Kräfteangebot entscheiden“.

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