Nobelpreis für Chemie: Passgenaue Medikamente

Der Nobelpreis für Chemie geht an zwei US-Zellforscher. Ihre Arbeit über die Wirkungsweise von Rezeptoren hilft, „genauere“ Medikamente zu entwickeln.

Mit dem Nobelpreis für Chemie 2012 geehrt: Die Zellforscher Brian Kobilka (li.) und Robert Lefkowitz. Bild: dpa/dapd

Das Nobelpreiskomitee vergibt die diesjährige Auszeichnung für Chemie an die beiden Zellforscher Robert Lefkowitz und Brian Kobilka. Lefkowitz konnte 1970 erstmals Rezeptoren in der Zellmembran feststellen, über die Informationen zwischen Zellen ausgetauscht werden und zahlreiche Medikamente ihre Wirkung entfalten. 1980 gelang es den beiden Forschern gemeinsam, die hierfür verantwortlichen Gensequenzen zu entschlüsseln.

Im Jahr 2011 schließlich gelang es einem Team unter Kobilka, ein Bild eines gerade aktiven Zellrezeptors zu erstellen. Von der Erforschung der Zellrezeptoren erhofft man sich die Entwicklung besserer Medikamente.

Das Nobelpreiskomitee erklärt die Wichtigkeit der Arbeit am Beispiel des Adrenalins. Schon lange war bekannt, dass der Stoff im Körper zahlreiche Reaktionen auslöst, der Herzschlag erhöht sich und der Blutdruck steigt an. Adrenalin kann vom Körper selbst ausgeschüttet oder als Arzneimittel zugeführt werden.

Wie wirkt Adrenalin durch die Membran?

Lange Zeit unklar war Wissenschaftlern jedoch, wie der Stoff auf Zellen im Körper wirkt. Zellen sind von einer Hülle aus Fettsäuremolekülen, der Zellmembran, umgeben, und die entscheidende Frage war: Wie entfaltet ein Stoff wie Adrenalin seine Wirkung durch diese Membran hindurch?

In den 60er Jahren erforschte Robert Lefkowitz am US-amerikanischen National Institute of Health die Theorie der Zellrezeptoren. Mithilfe von Hormonen, die ein radioaktives Jod-Atom enthielten, kam er diesen auf die Spur. Seine Forschung veröffentlichte er im Jahr 1970 in den Zeitschriften PNAS und Science.

Am Medical Center der Duke University in Durham, North Carolina, stieß der zweite Nobelpreisträger Brian Kobilka im Jahr 1980 zum Forschungsteam von Lefkowitz. Das gemeinsame Ziel war: die für die von Lefkowitz entdeckten Rezeptoren verantwortlichen Gensequenzen ausfindig zu machen. Kobilka und Lefkowitz entdeckten dabei auch andere Rezeptoren, die eine ähnliche Struktur aufwiesen, aber völlig andere Funktionen im Körper erfüllten, etwa Lichtsensoren im menschlichen Auge.

Das Stockholmer Preiskomittee hat entschieden: Die Nobelpreise für Medizin, Physik und Chemie gehen an sechs Forscher – drei Preise gegen in die USA und jeweils einer nach Japan, Frankreich und Großbritannien. Auffallend ist, dass es sich bei allen Nobelpreisträgern in den naturwissenschaftlichen Disziplinen nur um Männer handelt. Und das ist jetzt schon im dritten Jahr in Folge so.

Diese G-Protein-gekoppelten Rezeptoren werden auch Sieben-Transmembrandomänen-Rezeptoren genannt, da ihre Spiralstruktur die Zellmembran genau siebenmal durchstößt.

Im Rahmen des Human Genome Project wurden inzwischen rund eintausend derartig aufgebaute Rezeptoren und deren zugehörige Gensequenzen entdeckt. Bei einem Zehntel davon ist der Wissenschaft bis heute nicht bekannt, welche Rolle sie im menschlichen Organismus spielen.

Weiterer Durchbruch

Brian Kobilka gelang später an der School of Medicine der Stanford University in Kalifornien ein weiterer Durchbruch. Mithilfe der Kristallstrukturanalyse erstellte er ein Bild eines Rezeptors, während dieser gerade aktiviert wurde. Die Kristallstrukturanalyse ermöglicht die Untersuchung von Strukturen, die für gewöhnliche Mikroskope zu klein sind.

Die Visualisierung von Fettsäuremolekülen, aus denen die Zellmembranrezeptoren bestehen, gestaltete sich als besonders schwierig, und Kobilkas Team benötigte fast zwanzig Jahre, um die dabei entstehenden Hürden zu überwinden. Im Jahr 2011 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature.

Lefkowitz arbeitet heute daran, seine Forschungsergebnisse zur praktischen Anwendung zu bringen. Betablocker, die zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten gehören und bei Bluthochdruck und Herzkrankheiten eingesetzt werden, senken die Wirkung von körpereigenem Adrenalin, indem sie die Zellrezeptoren blockieren. Allerdings hat Adrenalin positive und negative Auswirkungen auf Herzpatienten.

Lefkowitz schreibt auf seiner Webseite, dass sein Institut aktuell daran arbeitet, Medikamente zu entwickeln, die in der Lage sein sollen, die für Herzpatienten negativen Auswirkungen wie Bluthochdruck und eine Erhöhung der Herzfrequenz zu blockieren, während die Übertragung von Signalen mit für den Patienten vorteilhaften Effekten weiter möglich sind.

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