Obama in Afghanistan: Licht am Horizont

Blitzbesuch in Kabul: US-Präsident Obama erinnerte an die Tötung Bin Ladens vor einem Jahr und wandte sich per Live-Schaltung an die Wähler daheim.

Stimmenfang mit Live-Schalte oder Besuch bei denen, die Amerikas Freiheit verteidigen? Bild: ap

WASHINGTON taz | Es war eine von langer Hand und unter höchster Geheimhaltung vorbereitete PR-Aktion: Am Jahrestag der Tötung von Osama bin Laden ist Barack Obama am Dienstagabend im Schutz der Dunkelheit auf der US-Luftwaffenbasis in Bagram in Afghanistan gelandet.

Der US-Präsident blieb etwas weniger als eine Nacht in dem Kriegsgebiet. Nach seiner Ankunft flog er im Hubschrauber weiter nach Kabul, unterzeichnete mit seinem afghanischen Kollegen Hamid Karzai ein Abkommen über „strategische Partnerschaft“, gab eine Pressekonferenz, sprach auf dem Rückweg in Bagram mit US-Soldaten und hielt tief in der Nacht vor der Kulisse von gepanzerten US-Wüstenfahrzeugen eine knapp 11-minütige Ansprache an das US-amerikanische Volk.

Die US-Nachrichtensender übertrugen sie live in ihr Frühabendprogramm. Noch vor Morgengrauen verließ der Oberste Befehlshaber der USA Afghanistan wieder.

Bilaterales Abkommen

Das in Kabul unterzeichnete bilaterale Abkommen zwischen den USA und Afghanistan ist nach Angaben aus dem Weißen Haus in 20-monatigen Verhandlungen entstanden. Es nennt Eckdaten und Termine für die verbleibenden zweieinhalb Jahre bis zum Abzug der US-Truppen und für die zehn Jahre danach. In seiner Ansprache aus Bagram sprach Obama von der künftigen „gleichberechten Partnerschaft“ mit Afghanistan sowie einem Sieg gegen al-Qaida, der nunmehr in greifbare Nähe gerückt sei.

Und er zählte die fünf Punkte des Abkommens auf: die Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte; die Ausbildung afghanischer Sicherheitsleute, die auch nach dem offiziellen Truppenabzug weitergehen soll; die nationaler Aussöhnung, an der sich auch Taliban, die der Gewalt abschwören, beteiligen könnten und die „Menschenrechte für Männer und Frauen“ beinhalte; sowie einen „globalen Konsens“ für Frieden und Stabilität in der Region. Das Abkommen enthält einen Passus, der Angriffe von afghanischem Territorium auf Nachbarländer ausdrücklich ausschließt. Allerdings erwähnt ein anderer Passus das „Recht auf Selbstverteidigung“.

Obama will nach dem Jahr 2014 weder Militärstützpunkte in Afghanistan behalten noch dort Städte kontrollieren. Aber er kündigte zugleich an, dass US-Soldaten dort weiterhin gegen al-Qaida kämpfen werden. Zahlen darüber, wie viele US-Soldaten auch nach 2014 in Afghanistan bleiben sollen und wieviel das künftige militärische Engagement der USA in Afghanistan kosten soll, nennt der US-Präsident nicht.

Teil des Wahlkampfes?

Bei der Blitzreise ging es für Obama einerseits darum, an seine Erfolge im „Krieg gegen den Terror“ zu erinnern. Und zugleich der Mehrheit seiner Landsleute – die extrem kriegsmüde sind, keine Erfolge in Afghanistan sehen und lieber heute, als morgen abziehen wollen – zu zeigen, dass es ein Kriegsende geben wird. Sprecher des Weißen Hauses bestreiten, dass die Blitzreise am Jahrestag von Bin Ladens Tod triumphalistisch und Teil des demokratischen Wahlkampfes sei. Die Terminwahl begründen sie damit, dass Obama das bilaterale Abkommen noch vor dem Nato-Gipfel in drei Wochen in Chicago unterzeichnen wollte.

Doch in den Tagen vor der Blitzreise war die Tötung von Abbottabat vom 1.Mai 2011 zu einem Wahlkampfthema in den USA geworden. Vizepräsident Joe Biden hatte sogar einen Wahlkampfslogan angeregt: „Osama Bin Laden ist tot und General Motors lebt“. Der wahrscheinliche republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney fühlte sich genötigt, zu versichern, dass auch er als Präsident die Tötung von Bin Laden angeordnet hätte. Romney: „Jeder Amerikaner, der denken kann, hätte das getan. Selbst Jimmy Carter.“

Und Obamas Terrorismusfachmann John Brennan sprach am Dienstag bei einer Konferenz im Wilson-Center in Washington als erster Weiße-Haus-Mitarbeiter offen über die Drohnenschläge der USA, er nannte sie „ethisch und gerecht“. Just in dem Moment, als der Terrorismusfachmann einen „Imageverlust von al-Qaida durch Attentate“ erwähnte, erhob sich eine Antikriegsaktivistin im Saal und sprach über die „unschuldigen Opfer der US-Drohnen“. Ein Polizist führte sie ab.

„Übergang“, nicht „erfolgreicher Mission“

So lange Obama in Afghanistan weilte, bewerteten sowohl demokratische als auch republikanische Politiker die Reise als „positiv.“ Seth Jones von der Rand Corporation nannte es „klar, dass Obama raus will“. Brian Katulis vom „Center for American Progress“ wies darauf hin, dass Obama nicht von einer „erfolgreichen Mission“ gesprochen habe, sondern von einem „Übergang“. Und dass einige der „schwierigsten Aufgaben nicht militärisch sondern politisch sind und jetzt erst beginnen.“

Zugleich beklagten Anti-Kriegs-Gruppen, dass Obama zwar am offiziellen Truppenabzug im Jahr 2014 festhalte, aber die US-Militär-Präsenz in Afghanistan per Unterschrift unter das bilaterale Abkommen bis ins Jahr 2024 hinein verlängert habe. Kevin Martin von „Peace Action“ sagte: „2011 war das schlimmste Jahr für afghanische Zilivisten mit 3021 Toten. Das ist das Niveau von Sicherheit, das wir nach fast elf Kriegsjahren erreicht haben.“

Seinen Amtsvorgänger George W. Bush, der die Kriege im Irak und in Afghanistan begonnen hat, erwähnte Obama mit keinem Wort. Hingegen sprach er von einem „Licht am Horizont“, das nach einem „Jahrzehnt von Kriegen“ zu sehen sei. Obama: „Jetzt müssen wir unsere Nation aufbauen und Amerika erneuern“.

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