Obdachlose Osteuropäer vertrieben: Sie kommen wieder

Polizisten vertreiben Obdachlose aus dem Park am Altonaer Nobistor. Das sei sinnlos, glaubt „Hinz & Kunzt“-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.

Unter einem Vordach liegen verstreut die Habseligkeiten von Menschen. Im Hintergrund stehen Polizisten.

Alles weg: Die Osteuropäer müssen sich einen anderen Schlafplatz suchen Foto: Joto

HAMBURG taz | Donnerstagmorgen, sieben Uhr: Ein Polizist fährt auf einem Fahrrad durch den Park am Altonaer Nobistor. Die Vorhut. Wenige Minuten später rücken seine Kollegen mit Mannschaftswagen und einer Hundestaffel an. Beauftragt wurden sie vom Bezirks­amt Altona. Ihre Aufgabe: die Obdachlosen vertreiben, die den Park als Schlafplatz nutzen.

Etwa 30 Menschen haben in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag dort geschlafen, manche in Zelten, einige in einem Unterstand nahe der Königstraße. Jetzt müssen sie verschwinden.

Zu wenige Schlafplätze

Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei das Gelände räumt: Bereits vor etwa einem Monat mussten die Obdachlosen die Anlage verlassen. Das Bezirks­amt Altona rechtfertigt die regelmäßigen Räumungen mit der städtischen Grünanlagenverordnung, die das Übernachten auf Grünflächen verbietet. Außerdem gebe es Beschwerden von Anwohnern, berichtet Polizeisprecherin Heike Uhde. Doch die Obdachlosen kommen immer wieder zurück.

Keinen festen Wohnsitz haben in Hamburg laut Sozialbehörde über 1.000 Menschen. Die Zahl ist aus dem Jahr 2009. Aktuellere Erhebungen gibt es nicht. Die Diakonie schätzt im Jahr 2015, dass es inzwischen etwa 8.000 sind.

Keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben Menschen, die nur wegen der Arbeitssuche nach Deutschland gekommen sind – auch wenn sie EU-Bürger sind.

Eine Möglichkeit zum Geldverdienen haben Obdachlose beim Straßenmagazin Hinz & Kunzt. Die Hälfte des Verkaufspreises in Höhe von 2,20 Euro geht an die obdachlosen Verkäufer. Trinkgeld dürfen sie komplett behalten.

Kleine Möglichkeit zum Geldverdienen: Höchstens zehn Prozent der Verkäufer dürfen aus Osteuropa stammen. Voraussetzung: zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse.

„Wo sollen sie auch hin?“, fragt Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter des Hamburger Straßenmagazins Hinz & Kunzt. Es gebe zu wenige Schlafplatzangebote für Obdachlose. Seit dem Ende des Winternotprogramms am 31. März seien 800 Menschen mehr gezwungen, auf der Straße zu schlafen, sagt Karrenbauer.

Vor allem Ungarn und Rumänen übernachten im Park am Nobistor. Sie kamen mit der Hoffnung auf einen Arbeitsplatz nach Deutschland, schlafen mittlerweile aber auf der Straße. Dass sie in Hamburg keine Arbeit finden, wundert Stephan Karrenbauer nicht: „Das ist ein Teufelskreis. Wenn du keine Wohnung hast, stellt dich niemand ein. Ohne Job findest du aber auch keine Wohnung.“

Die Stadt verlassen werden sie aber trotzdem nicht. Sogar Flaschensammeln bringe in Hamburg mehr Geld als ein fester Job in Osteuropa, berichten die Obdachlosen dem Sozial­arbeiter. Da sei es auch egal, wie oft die Polizisten ihnen einen Platzverweis erteilen. „Wer glaubt, die Menschen durch Alternativlosigkeit vertreiben zu können, irrt sich“, merkt Karrenbauer an.

Flüchtlingsunterkünfte stehen leer

Deshalb fordert Hinz & Kunzt, den Obdachlosen die teilweise leer stehenden Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung zu stellen. „So hätten sie eine Meldeadresse und könnten sich eine Arbeit suchen“, erklärt Karrenbauer. Dann sei auch das Pro­blem der „wilden Camps“ gelöst, über die sich beschwert wird. Noch mache die Sozialbehörde aber keine Anstalten, diese Forderung umzusetzen. Für eine Stellungnahme war sie gestern nicht zu erreichen.

Es werde nicht das letzte Mal sein, dass die Polizisten in den Park zwischen Nobistor und Königstraße kommen, um die Arbeitsmigranten zu vertreiben, prognostiziert Stephan Karrenbauer. Schon am Spätnachmittag grillte dort gestern eine Gruppe von Osteuropäern.

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