Obdachlosen-Helferin über Räumungen: „Manchmal gibt es Schikanen“

In Berlin wurde eine Obdachlose gefesselt und geräumt. Werena Rosenke von der BAG Wohnungslosenhilfe kritisiert, dass oft ohne begleitende Hilfe geräumt wird.

ein Wohnungslosen-Lager in einer Unterführung

„Letztlich bleiben die Leute irgendwo im öffentlichen Raum“ – Camp unter einer Brücke in Berlin Foto: imago/Hohlfeld

taz: Werena Rosenke, ein Obdachlosencamp am Hauptbahnhof wurde geräumt, man sieht auf einem Video gefesselte Menschen, einer Frau wurde eine Art Sack über den Kopf gezogen, weil sie angeblich Läuse hatte. Ist das überhaupt rechtens?

Werena Rosenke: Ich kann zu diesem Fall nichts sagen, weil ich ihn nur aus der Presse kenne. Es wurde ja gesagt, die Frau habe Widerstand geleistet und sei dann erkennungsdienstlich behandelt worden. Das ist zumindest sehr ungewöhnlich, dass Obdachlose bei einer Räumung erkennungsdienstlich behandelt werden.

Kommt das häufig vor, dass mit Gewalt geräumt wird?

Manchmal gibt es Schikanen bei einer Räumung. Wir kennen Fälle, wo Bußgeldbescheide ausgestellt wurden. In der Vergangenheit hat man die Leute in manchen Städten auch einfach an den Stadtrand gefahren und sich selbst überlassen. Meist schickt man sie einfach weg und gibt ihnen ein paar Adressen von Notunterkünften. Die Leute haben aber in der Regel gar kein Geld für Fahrkarten, außerdem öffnen die Notunterkünfte erst am Abend. Letztlich bleiben die Leute irgendwo im öffentlichen Raum.

Werena Rosenke ist Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V und stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz.

In dem Räumungsfall am Hauptbahnhof wurde den Leuten das Zelt, der Schlafsack weggenommen und quasi als Müll entsorgt. Kann die Polizei das überhaupt so machen?

Es hieß ja, diese Entsorgung sei aus hygienischen Gründen geschehen. Nur, dann müsste man die Menschen irgendwo hin bringen, zur Winternothilfe vielleicht, wo sie sich wieder mit einem Schlafsack versorgen können. Der Frau zum Beispiel hätte man auch eine gesundheitliche Versorgung anbieten müssen, wenn sie tatsächlich Läusebefall hatte. Das Problem ist, dass das die Berliner Bezirke nicht bezahlen wollen. Da gibt es kaum Möglichkeiten. Zumal ich gelesen habe, dass die Frau wohl aus Osteuropa kam. Da sagen die Bezirke: Wir sind nicht zuständig.

Mit der Räumung und der Entsorgung von Zelt und Schlafsack nimmt man den Leuten eine Möglichkeit , sich warmzuhalten. Was machen die dann in der Kälte? Gehen die in Notunterkünfte?

Im Winter sind viele Notunterkünfte offen, aber da müssen die Leute jeden Morgen wieder raus. Es gibt auch Unterkünfte, da kann man nur ein paar Nächte hingehen, dann muss man woanders hin. Und gegenüber Obdachlosen aus Osteuropa weigern sich manche Kommunen, ihnen Schlafplätze anzubieten. Die Leute gehen dann irgendwohin unter Brücken, suchen sich Abbruchhäuser. Die sind dann natürlich erst recht gefährdet, zu erfrieren.

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