Oberschlesier in Polen: Instrumentalisiert und genervt davon

Rund 4.000 Menschen demonstrieren in Kattowitz für eine Stärkung ihrer Rechte. Sich vom polnischen Staat abspalten wollen sie nicht.

Gemütlich: Oppeln in Oberschlesien. Bild: imago/caro

WARSCHAU taz | „Au-to-no-mia! Au-to-no-mia!“ skandieren die rund 4.000 Demonstranten in der oberschlesischen Stadt Katowice/Kattowitz. Trotz Nieselregen herrscht wie auch in den letzten sechs Jahren die Stimmung eines Familienpicknicks vor. Viele Eltern sind mit ihren Kindern gekommen. Die zahlreichen gelb-blauen Fahnen Oberschlesiens rufen bei manchen Zuschauern aber auch Zorn und Ärger hervor. Während die einen skandieren „Gorny Slask! Oberschlesien!“, halten die anderen dagegen „Pol-ska! Po-len!“

Zur Kundgebung in die Hauptstadt des polnischen Kohlereviers am Samstag hatten die Bewegung für die Autonomie Oberschlesiens und ihr Chef Jerzy Gorzelik aufgerufen. Der Ruch Autonomii Slaska besteht offiziell seit 2001 und vereint rund 7.000 Mitglieder. Sein Ziel ist, die Selbstverwaltung der oberschlesischen Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke) Schlesien und Opole/Oppeln zu stärken.

Die historische Region Oberschlesien soll mehr Rechte gegenüber Warschau erhalten, wie dies ab 1920 bis zum Kriegsausbruch 1939 der Fall war. Eine Loslösung Oberschlesiens vom Staat Polen, strebt die Bewegung nicht an. Dennoch sagen Gegner der Autonomiebewegung ihr genau dies immer wieder nach. Auch während der jüngsten Kundgebung mussten sich die Demonstranten von Gegendemonstranten als „Fünfte Kolonne“ beschimpfen lassen, eine in Polen gängige Beleidigung der deutschen Minderheit.

Immer mehr Oberschlesier haben es aber satt, von den Regierenden instrumentalisiert zu werden. Sie sehen sich selbst weder als Deutsche noch als Polen. Insofern hinkt der oft angeführte Vergleich mit Bayern. Denn die Oberschlesier fühlen sich als eigenständiges Volk und beanspruchen in Polen den Minderheitenstatus einer Ethnie.

Anerkannt als Minderheit

Den spektakulärsten Erfolg erreichte die Bewegung für die Autonomie Schlesiens bei der letzten polnischen Volkszählung 2011. Mehr als 800.000 Menschen gaben als Nationalität „schlesisch“ an, wollten sich weder zur polnischen Mehrheitsgesellschaft noch zur deutschen Minderheit zählen lassen. Zudem entschied ein Gericht in Opole/Oppeln zugunsten der Anerkennung der Oberschlesier als nationale Minderheit, auch wenn der Europäische Gerichtshof 2007 den Antrag auf Anerkennung eines „schlesischen Volkes“ abgelehnt hatte.

Negative Schlagzeilen machte die Bewegung 2007, als Polens Regierung bei der Unesco auf die Umbenennung des KZ Auschwitz in „Deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau“ drängte. Der damalige „Volks-Verband der Schlesier“ protestierte in einem Brief gegen die geplante Umbenennung und machte geltend, dass Auschwitz 1945 bis 1949 unter kommunistischer Leitung stand und dort auch Schlesier interniert waren, oft ohne dass ihnen ein Vergehen vorgeworfen wurde.

Nach Protesten ehemaliger Auschwitz-Häftlinge wie des Katholiken Wladyslaw Bartoszewski zog sich die Bewegung für die Autonomie Schlesiens von der Unterstützung des Protestbriefes zurück.

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