Ökoprotest gegen britisches Radprofiteam: Ins Rennen zum Schaden der Umwelt

Der neue Teamsponsor Ineos von Tour-de-France-Sieger Chris Froome und Kollegen macht sein Geld mit Fracking. Nun gehen Fans auf die Barrikaden.

Ein Radsportler mit getönter Sonnenbrille ist im Vordergrund zu sehen, dicht hinter und vor ihm fahren weitere Radrennfahrer. Im Hintergrund stehen hinter einer Werbebande Zuschauer und Zuschauerinnen.

Radsportfahrer als Umweltsünder? Wählt ein Team den falschen Sponsor, rasen ihm die Fans davon Foto: dpa

DONCASTER taz | Es herrschte so etwas wie Gorleben-Stimmung im englischen Doncaster. Menschen mit Transparenten strebten zum Marktplatz, auf dem das Einschreiben der Rennfahrer für die Tour de Yorkshire erfolgte. „Nein zum Fracking!“, „Ineos ist nicht willkommen!“ und „Ineos – König der Umweltverschmutzer“ lauteten einige der Parolen. Sprechchöre „Verräter, Verräter!“ und „Haut ab!“ waren zu hören.

Etwa 200 Meter weiter auf einem Parkplatz eine ähnliche Szenerie. Hier hatte sich Team Ineos aufgebaut. Es ist eigentlich Team Sky, nur mit neuer Oberfläche. Der alte Hauptsponsor des Rennstalls war aus dem Radsport ausgestiegen, weil das Unternehmen selbst den Besitzer gewechselt hatte. Team-Manager David Brailsford immerhin fand schnell Ersatz. „Wir hatten mehrere Alternativen. Ineos war einfach die attraktivste“, sagte er der taz während der Tour de Yorkshire.

Das britische Chemie-Unternehmen Ineos und sein Gründer Jim Rat­cliffe sind allerdings derart unattraktiv, dass Brailsford die Teamvorstellung an einem lange geheim gehaltenen Ort in Yorkshire vornehmen ließ – aus Angst, dass Fracking-Gegner die Veranstaltung torpedieren könnten.

Den Start von Ineos beim Rennen konnte Brailsford schlecht geheim halten. Angst vor Protesten war aber deutlich zu spüren. Der Rennstall mit den rot-braun-schwarzen Farbtönen auf Kleidung und Bussen verschanzte sich hinter Absperrgittern. Selbst die Teamfahrzeuge waren hinter dem Zaun geparkt. Und ein paar muskulöse Männer mit Knopf am Ohr standen als extra Security innerhalb des abgesperrten Bereiches.

Frust und Empörung

Das alles nur, weil Name, Farbe und Logo des Teams gewechselt wurden. Und wegen der Quelle des Geldes natürlich. „Es ist frustrierend, diese Rennfahrer zu sehen, wie sie in ihren Ineos-Klamotten stecken und in die Kameras lächeln. Wir kämpfen seit mehreren Jahren gegen Ineos, und nun lassen sie sich von dem Konzern für eine Greenwashing-Kampagne bezahlen“, empörte sich Adrian Palmer von Frack Free York & Villages, der extra nach Doncaster zum Protestieren gereist war. „Ich war auch früher bei der Tour de Yorkshire, als Fan. Ich habe meine Kinder mitgenommen. Aber was Sky jetzt macht mit dem neuen Sponsor, das geht einfach zu weit, das ist ein Schlag ins Gesicht vieler Menschen hier in Yorkshire.“

Richard Scholey, ebenfalls ein Radsportfan und Anti-Fracking-Aktivist, ergänzt: „Man sieht diese fantastischen Luftaufnahmen bei den Rennen. Wenn die Fracking-Industrie sich durchsetzt, würde das alles ganz anders aussehen. Man würde dann Tausende Bohrtürme sehen, Tausende Transporter, Pumpstationen, Kompressorstationen, in einem Gebiet, das im Moment noch die schönste Landschaft im ganzen Land ist.“

Um das zu verhindern, hat der Protest ganz Yorkshire erfasst. „Mich erinnert das ein wenig an die großen Streiks der Bergarbeiter in den achtziger Jahren“, erinnert sich Alan Challenger. Er lebt in Manchester, der Heimatstadt einst von Team Sky und jetzt Team Ineos, und engagiert sich dort bei „Frack Free Manchester“. Der Protest gegen Fracking ist so groß, dass sogar die Politik reagiert: Die Stadtregierung von Greater Manchester sprach ein Fracking-Verbot aus. Kommunale Behörden dürfen damit Planungen für Fracking-Infastrukturen nicht unterstützen. Auch in anderen Orten gibt es Verbote.

Simon Bowens, Radsportfan

„Es ist eine komplette Aushöhlung der Demokratie. Die Leute hier spüren, dass ihre Haltung einfach kein Gewicht hat“

Konzerne wie Ineos stört das nicht. „Sie bringen dann ihre Klage in London bei der Regierung vor. Und dort sagt man ihnen: ‚Oh, wir sind in einer Demokratie. Man hat euch nicht angehört dort vor Ort. Wir ziehen uns die Verfahren auf den Tisch. Und natürlich dürft ihr eure Anlagen errichten‘“, erzählt Simon Bowens von der Initiative „Friends of the Earth“ aus Leeds mit viel Sarkasmus. „Es ist eine komplette Aushöhlung der Demokratie. Die Leute hier spüren, dass ihre Haltung einfach kein Gewicht hat“, schiebt er nach.

Die Radsprofis zeigen sich davon unbeeindruckt. „Wir sind hier, um Rennen zu fahren, und nicht, um über Politik oder Wirtschaft zu debattieren“, meinte kühl Mark Cavendish, selbst in Yorkshire aufgewachsen und einst beim Ineos-Vorgänger Sky aktiv. „Warum werden den Fahrern von anderen Rennställen, deren Sponsoren ebenfalls aus dem Ölgeschäft kommen, nicht die gleichen Fragen gestellt wie uns?“ ist Chris Froome, Frontmann der Ineos-Truppe, sauer.

Der viermalige Tour-de-France-Champion hat sogar recht. Die Protestierer haben verpasst, sich vor dem Bus des von Teams Direct Énergie aufzubauen. Das wird nämlich von Total unterstützt, und Total lässt in Argentinien fracken, zum Unmut der Menschen dort. Ineos, Direct Énergie – die aktuellen Debatten haben das Zeug dazu, dass die Debatte über die Herkunft der Gelder im Sportbusiness ein bisschen Wucht erhält.

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