Österreichs Regierung und der Balkan: Nationalismus gefördert?

In Bosnien wächst die Sorge. Österreichs neuer FPÖ-Vizekanzler Strache ist ein Freund der Aufspaltung von Bosnien und Herzegowina.

Eine Frau, Karin Kneissl

Österreichs Außenministerin Karin Kneissl Foto: AP

SARAJEVO taz | In der österreichischen Botschaft in Sarajevo geben sich dieser Tage die bosnischen Politiker die Klinke in die Hand. Denn vor allem aus dem bosniakisch-muslimischen ­Lager in Bosnien und Herzegowina blickt man mit Sorge auf die Entwicklung in Wien. Bisher galt Österreich als ein verlässlicher Partner, dem man zutraute, die Dinge auf dem Balkan in die richtige Richtung zu lenken. Doch seit die rechtsnationalistische FPÖ in Wien in der Regierung sitzt und sogar das Außenministerium besetzt, ist das Vertrauen in die Position Österreichs angeschlagen.

Denn die FPÖ-Führung hat klare Sympathien für die radikalen serbischen Nationalisten erkennen lassen. Schon in den letzten Jahren ließen sich FPÖ-Mandatsträger des Öfteren in Banja Luka sehen, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik, doch der Schulterschluss wurde nicht so richtig ernst genommen.

Erst als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im September letzten Jahres bei einem Besuch in Banja Luka erklärte, „der Republika Srpska sollte die Möglichkeit der Unabhängigkeit gegeben werden“, schrillten in Sarajevo wie bei den internationalen Diplomaten die Alarmglocken.

Denn Strache machte weiter: „Ich würde gerne wissen, warum die internationale Gemeinschaft auf ein multiethnisches Bosnien und Herzegowina insistiert. Das heutige Bosnien und Herzegowina kann nicht funktionieren. Die internationale Gemeinschaft schützt einen künstlich kreierten Staat mit Gewalt, was nicht dem Wunsch der Menschen in diesem Staat entspricht.“

ÖVP plant keine Änderung der Balkanpolitik

Mit diesen erst kürzlich in Österreich bekannt gewordenen Aussagen stellte der heutige Vizekanzler der Republik Österreich die bisherige Politik der EU auf den Kopf. Österreich spielt eine Schlüsselrolle in der europäischen Balkanpolitik. Das hängt nicht nur mit der Geografie und der Wirtschaft zusammen, sondern auch mit der Geschichte der Habsburger Doppelmonarchie.

In Bosnien und Herzegowina gibt es bis heute große Sympathien für Österreich und das Habsburgerreich, hatte Wien doch das Osmanische Reich 1878 abgelöst und das Land wirtschaftlich und kulturell an den Westen herangeführt. Wien verteidigte damals sogar die multinationale und multireligiöse Identität Bosniens gegen den aufkommenden Nationalismus, und das strahlt bis in die Gegenwart aus: Seit Jahren ist mit Valentin Inzko ein Österreicher der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Österreich führt die internationalen Truppen in Bosnien und Kosovo.

Mit dem Eintritt der FPÖ ins Außenministerium wird nun die Rolle Österreichs fragwürdig. Strache hat in Banja Luka sogar die bisher gültigen Grenzen auf dem Balkan in Frage gestellt. Der geschäftsführende Parlamentsklubchef der oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) Andreas Schieder warf Strache eine „sehr gefährliche politische Brandstiftung“ vor und forderte von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) eine klare Distanzierung. Österreichs Vermittlerrolle im Westbalkan werde durch die FPÖ und ihren Vizekanzler „zunichtegemacht, mit ungewissen Folgen für die ganze Region“, so Schieder.

Zwar ruderten Strache und seine Außenministerin Kneissl aufgrund des Drucks vonseiten des größeren Koalitionspartners ÖVP zurück, der keine Änderung der bisherigen Balkanpolitik anstrebt. Doch die Dementis sind nach Meinung österreichischer Journalisten halbherzig und taktisch motiviert. Beobachter bescheinigen der FPÖ, die auch gute Beziehungen zur Regierungspartei in Russland pflegt, tiefe ideologische Übereinstimmungen mit den serbischen Nationalisten.

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