Onlinemagazin für afrikanische Kunst: Von London bis Lagos

Zeitgenössische Kunstschaffende aus Afrika sind in Europa kaum sichtbar. Das will das Magazin „Contemporary And“ ändern.

Misheck Masamvu, „The case of the missing fish“ (Ausschnitt), Öl auf Leinwand, 2012. Bild: M.Masamvu und Galerie Francoise Heitsch

Als Julia Grosse am anderen Ende der Leitung den Hörer abnimmt, klingt sie ein wenig außer Atem. Tatsächlich erlebt die in London ansässige Kunsthistorikerin und Kulturkorrespondentin der taz gerade einen Wettlauf gegen die Zeit: Das Onlinemagazin „Contemporary And (C&) – Eine Plattform für internationale Kunst aus afrikanischen Perspektiven“, dessen Redaktion sie leitet, startet am Freitag.

Nun, kurz bevor es startet, liegen die Nerven blank. „Hoffentlich stürzt das System am Ende nicht ab!“ Gespannt sei sie vor allem auf die Reaktionen der Menschen und Institutionen, die das Entstehen des neuen Onlineprojekts bereits mit großem Interesse verfolgen.

Seit sechs Monaten arbeiten Julia Grosse und ihr Team konzentriert an der Gestaltung des Magazins, das auf Deutsch, Englisch und Französisch erscheinen wird und neben Rezensionen, Künstlerporträts und Essays zum gegenwärtigen Kunstdiskurs in Afrika und der Diaspora auch über laufende Ausstellungen in Kunsträumen und Kulturinstitutionen informiert. Besonders spannend klingt dabei die Übersicht „Education“.

Dort können sich demnächst sowohl nigerianische als auch deutsche Kunstschaffende über anstehende Ausschreibungen, Künstlerresidenzen und Workshops in Paris, New York oder Maputo schlaumachen.

Ausstellungen und Kritik

„Das wusste ich selbst lange nicht“, gesteht Julia Grosse. „Aber der afrikanische Kontinent bietet viele Residenzen an – und es werden immer mehr.“ Das will C& sichtbar machen und zur Erweiterung der verschiedenen Netzwerke beitragen. Für weiteren Austausch sorgen die virtuellen „Art Space“-Ausstellungen der Webseite: Die erste C&-Ausgabe präsentiert die Begegnung von Yvette Mutumba, Kuratorin am Weltkulturenmuseum in Frankfurt, mit dem Maler Misheck Masamvu, der seine großformatigen Bilder im Simbabwe-Pavillon auf der Biennale in Venedig 2011 ausstellte. Auch für ein Ende des Schubladendenkens und vorschnellen Abstempelns afrikanischer Kunst will das Magazin eintreten.

Denn „heute lassen sich KünstlerInnen nicht mehr auf einen Ort festlegen“. Passgenau soll der südafrikanische Autor und Frieze-Korrespondent Sean O’Toole in einem Essay über die Frage aufklären, warum Nationalausstellungen, wie etwa „Südafrikanische Fotografen“ oder „Junge Skulptur aus Indien“, immer noch so beliebt sind, obwohl die Realität zeitgenössischer KünstlerInnen sich längst im globalen Raum abspielt.

Exemplarisch nennt Grosse die junge Künstlerin Dineo Seshee Bopape, die ebenfalls in einem Interview zu entdecken sein wird. Bopape wurde in Südafrika geboren, studierte an der Columbia in New York, absolvierte eine Künstlerresidenz in Amsterdam und wird von der südafrikanischen Galerie Stevenson vertreten. „Der Künstler ist zeitgenössisch“, findet Grosse. Was er dann sonst ist, das sei zweitrangig. Der Künstler ist „Contemporary And …“ – „Zeitgenössisch und“.

„Ohne die Vergangenheit kann das Zeitgenössische nicht stattfinden“, weiß aber auch Julia Grosse. Deswegen unternimmt C& einige historische Exkurse, bei denen Vergessenes über Bekanntes erläutert wird. So kann man bald verschollene Schätze der afrikanischen Kunstliteratur in unscheinbaren Bibliotheken von London bis Lagos entdecken – und über das in Harvard produzierte Kulturmagazin Transition erfahren, das in den Sechzigern in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, gegründet wurde. „Mit solchen Geschichten kann gezeigt werden, wie wieder alles zusammenhängt, und welche Netzwerke es in Afrika bereits vor 50 Jahren gab.“

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