Paul Virilio ist gestorben: Denker der Geschwindigkeit

Der Franzose führte Beschleunigung in die Philosophie ein. Virilio galt als einer der wichtigsten Theoretiker des Poststrukturalismus.

Ein Mann mit Halbglatze und Brille

Er wurde 86 Jahre alt: Paul Virilio Foto: imago/Leemage

BERLIN taz | Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der französische Philosoph Paul Virilio am 10. September im Alter von 86 Jahren gestorben. Der ausgebildete Ingenieur Virilio beschäftigte sich in seiner „Dromologie“ oder Geschwindigkeitslehre – einem Fachgebiet, das er selbst definiert hatte – mit der zunehmenden Beschleunigung von Technologie und Informationsverbreitung.

Virilio, der neben Foucault, Deleuze und Baudrillard als einer wichtigsten Vertreter des französischen Poststrukturalismus galt, thematisierte unter anderem die veränderte Bedeutung, die der physische Raum durch Fortschritte bei der elektro-optischen Übertragung von Daten in Echtzeit erfahren. Immer wieder kommentierte er auch tagespolitische Themen wie die Live-Übertragungen von Bombardements während des Golfkriegs 1991 oder die Finanzkrise 2008.

In Deutschland hat der Berliner Merve-Verlag, der zahlreiche seiner kurzen Schriften als billige Taschenbücher im Hosentaschenformat publizierte, zu seiner Popularität beigetragen. Virilio organisierte auch eine Reihe von Ausstellungen, unter anderem 1975 „Bunker archéologie“ im Centre Pompidou und 1981 „La Vitesse“ bei der Fondation Cartier.

Für Virilio sorgt die Beschleunigung von Medienkonsum und Informationsverbreitung für einen „Verlust der Beziehung zur äußeren Umwelt“. Seiner Ansicht nach sei die Menschheit in ein paradoxes Endstadium der Geschichte eingetreten, in dem die Echtzeit der Informationsübertragung zu Ohnmacht und Passivität des Publikums geführt hätten.

Virilio war seit 1969 Professor und seit 1973 Studiendirektor an der École Spéciale d'Architecture in Paris. Er wurde 1997 emeritiert.

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