Pfändung durch die Sparkasse: Die Angst der Frau Lehmann

Auf Bürgschaft folgt Pfändung: Hat eine niedersächsische Sparkasse eine schwer krebskranke Frau in den Ruin getrieben? Ja, sagt ihr Anwalt.

Wenn's um Geld geht, kommt das Bankgeheimnis schnell ins Spiel Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HAMBURG taz | Sie geht regelmäßig zur Wassergymnastik und spielt Rommé. Ihre Freizeitbeschäftigungen dürften „nicht viel kosten“, sagt Margot Lehmann*. Das erzählt die Rentnerin aus dem niedersächsischen Barsinghausen aber nicht jedem: Außerhalb der Familie wisse nur „eine Bekannte“ Bescheid über ihre prekäre Situation. Die ist vor allem von Angst bestimmt: Margot Lehmann, 75, fürchtet, ihre Wohnung zu verlieren.

Diese Geschichte einer drohenden Zwangsräumung beginnt im September 2001: Zugunsten ihres Mannes gab Lehmann damals bei der Stadtsparkasse Barsinghausen (SSK) eine Bürgschaft von 100.000 D-Mark ab. Herr Lehmann hatte seine Firma schließen müssen und konnte seinen Verpflichtungen gegenüber der SSK nicht mehr nachkommen.

Die Bank habe Margot Lehmann damals „überredet“, sagt ihr Anwalt Horst Fabisch, der ebenfalls in der 33.000-Einwohnerstadt in der Region Hannover ansässig ist. Als seine Mandantin die Bürgschaft abgab, litt sie unter einer schweren Krebserkrankung. Der Sparkasse sei bekannt gewesen, dass seine Mandantin „nie wieder arbeiten können und nur eine sehr geringe Rente bekommen würde“, sagt Fabisch. Lehmann musste lange mit 350 Euro Rente pro Monat auskommen, mittlerweile sind es 432 Euro – dank der Rentenerhöhung zum 1. Juli dieses Jahres.

„Was macht man, wenn die Sparkasse sagt, dass man das für den eigenen Ehemann tun solle?“, fragt Lehmann. „Da sagt man doch nicht nein.“ Die „Tragweite“ sei ihr aber nicht bewusst gewesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) sagt, in Fällen, in denen ein Bürge finanziell überfordert ist, müsse man davon ausgehen, dass der Kreditgeber die emotionale Verbundenheit mit dem Hauptschuldner sittenwidrig ausgenutzt habe.

Pfändungskonto (P-Konto): ein Girokonto, das dem normalen Zahlungsverkehr dient, jedoch Schutz bietet, wenn jemand das Konto pfändet. Jedermann kann bei seiner Bank die Umwandlung eines herkömmlichen Girokontos in ein P-Konto beantragen.

Der Pfändungsfreibetrag ist ein unpfändbarer Grundbetrag. Damit soll gewährleistet werden, dass der Schuldner trotz der Pfändung das Existenzminimum zur Verfügung hat.

Das Ombudsmannverfahren dient beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband der Schlichtung von Streitfällen zwischen Sparkassen und Kunden.

Jahrelang schlug sich Margot Lehmann mit der Sache herum, und das ohne Anwalt – aus Furcht vor den Kosten, sagt sie. Im Sommer 2014 schaltete sich Fabisch ein und verwies gegenüber der SSK auf die Rechtsprechung des BGH. Kurz darauf entließ die Bank Lehmann aus der Bürgschaft. Alles schien sich zum Guten zu wenden. Aber es existiert noch ein weiteres Dokument: Zwecks Stützung der Bürgschaft für ihren Mann erteilte Lehmann der Bank 2005 eine grundbuchliche Absicherung auf ihre kleine Eigentumswohnung an einer viel befahrenen Kreuzung. Auf dieser Basis betreibe die Bank nun die Zwangsvollstreckung, obwohl die Vereinbarung „nach ständiger Rechtsprechung des BGH ebenfalls rechtswidrig“ sei, sagt Fabisch. Der Anwalt hat daher ein Ombudsmannverfahren beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, dem Dachverband der SSK, eingereicht.

Eine Mietwohnung können sie sich nicht leisten

Die Dreizimmerdachgeschosswohnung in einem 1992 erbauten Mehrfamilienhaus, für die Lehmann noch sehr geringe Raten zahlt, „ist genau richtig für uns, so lange wir noch Treppen steigen können“. Vor allem ist diese Wohnung für sie die einzige Option: Eine Mietwohnung könnten sie sich gar nicht leisten.

Sie sei „zittrig“ geworden, sagt Lehmann, lasse ständig etwas fallen. In den vergangenen Wochen hat sich die Lage verschlimmert: Zunächst pfändete die SSK das gemeinsame Postbankkonto des Rentnerpaars. Lehmann sagt, sie habe das gemerkt, als sie vergeblich versuchte, online etwas zu überweisen. Rechtsanwalt Fabisch hat dieses Konto nun in ein Pfändungsschutzkonto umwandeln lassen.

Kurz darauf bekam sie ein Schreiben von der Rentenversicherung: Die Sparkasse hatte beim zuständigen Amtsgericht einen Rentenpfändungsbeschluss erwirkt. Nach dem Versuch, die Rente vom Konto wegzupfänden, strebte sie nun offenbar an, direkt bei der Rentenversicherung darauf zuzugreifen. Fabisch sagt, er habe seine Mandantin „zwei Stunden“ lang beruhigen müssen. „Natürlich kann die Rente gar nicht gepfändet werden.“ Sie liege weit unter ihrer persönlichen Pfändungsgrenze.

Fabisch hofft dennoch auf eine Einigung. Die Sparkasse wollte sich auf taz-Anfrage nicht äußern. Ein Sprecher teilte lediglich mit, „die allgemein als Bankgeheimnis bekannte Verpflichtung der Kreditinstitute, über Geschäfte, Verbindlichkeiten und Vermögen ihrer Kunden gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren“, nehme die Stadtsparkasse Barsinghausen „sehr ernst“.

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