Photovoltaikpflicht in Tübingen: Sonne darf nicht mehr nur so scheinen

In Tübingen muss künftig bei jedem Neubau eine Photovoltaikanlage mitgeplant werden. So sollen CO2-Emissionen gesenkt werden.

Ein Mann montiert Solarmodule auf einer Photovoltaikanlage

Gut für die Klimabilanz und für Solarzellenmonteure: die Photovoltaikpflicht Foto: dpa

Tübingen ist die erste Stadt in Deutschland, in der jeder Neubau eine Photovoltaikanlage haben muss. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fasste der Gemeinderat der württembergischen Universitätsstadt mit großer Mehrheit. Die Mindestleistung der Anlagen, die Sonnenenergie in Strom umwandeln, wird nun durch die Stadtverwaltung zu definieren sein.

Entstehen die Gebäude auf Grundstücken, die zuvor der Stadt gehörten, wird die Auflage formal in den Grundstückskaufverträgen festgelegt. Ansonsten regelt ein städtebaulicher Vertrag die neue Pflicht. Die Stadt sieht sich dazu durch das Baugesetzbuch legitimiert, räumt aber ein rechtliches Risiko ein, weil es noch keine einschlägigen Urteile dazu gibt, ob eine solche Auflage überhaupt zulässig ist.

Der Beschluss umfasst alle Objekte, „bei denen die vorgesehene Bebauung einen Strombedarf bedingt“, also auch gewerbliche und öffentliche Gebäude. Bedingung ist aber, dass eine Solarstromanlage „mit einem wirtschaftlich angemessenen Aufwand errichtet und betrieben werden“ kann. Eine Ausnahme soll es für Bauten geben, die auf ihrem Dach eine definierte Menge Solarthermie nutzen, wo also Wärme aus Sonnenenergie gewonnen wird.

Tübingen hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen pro Kopf bis 2022 gegenüber denen von 2014 um ein Viertel zu senken. Dies sei nur möglich, wenn die Bürger mitwirkten, betont die Stadtverwaltung in ihrer Beschlussvorlage. Da die Möglichkeiten der Wasserkraft in der Stadt ausgeschöpft seien, die Windkraft auf städtischem Gebiet am Naturschutz scheiterte, Klärgas bereits vollständig verstromt werde und eine zusätzliche Nutzung von Biogas nicht absehbar sei, biete im Stromsektor alleine die Photovoltaik noch „ein großes, einfach nutzbares Potenzial“.

Preisvorteil für die Verbraucher

Gebäudeeigentümer, die die Investition in eine Solarstrom­anlage scheuen, können ein Pachtmodell nutzen, dafür hat der Gemeinderat gesorgt. Die Baupflicht gilt nur so lange, wie „für den Bauherrn Wahlfreiheit zwischen Eigentum und Pacht gegeben ist“.

Die Stadtwerke Tübingen haben bereits ein entsprechendes Angebot: Sie planen auf Wunsch die Anlage, finanzieren und warten sie. Der Kunde zahlt sie dann über seine Stromrechnung ab. Attraktiv sei das für den Kunden, weil der Strom vom Dach längst preisgünstiger ist als jener aus dem Netz, sagt der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer. Er rechnet mit einem Preisvorteil für den Verbraucher von 2 Cent je Kilowattstunde.

Ohne Mitwirkung der Bürger sind die Klimaziele nicht zu erreichen

Per Facebook teilte der Rathauschef nach der Abstimmung mit: „Ich bin sehr stolz darauf, wie Stadt und Rat in die Rolle ökologischer Pioniere geschlüpft sind.“ Die vorausgegangene Diskussion im Gemeinderat sei „sehr sachlich“ verlaufen.

Obwohl heute die Photovoltaik „in der Stadt die billigste und beste Stromquelle“ sei, sei es nötig, die Nutzung verpflichtend zu machen, sagte Palmer. Viele Bürger beschäftigten sich ansonsten nicht mit dem Thema – und ließen diese Chance daher ungenutzt.

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