Piraten-Programm für NRW: Kein Sitzenbleiben, keine Überwachung

Einen Monat vor der NRW-Landtagswahl verabschiedet die Piratenpartei ihr Programm. Eine Umfrage sieht die Newcomer als drittstärkste Kraft.

Hoch die Tassen … äh: Zettel. Abstimmung in Dortmund. Bild: dpa

DORTMUND taz | Mit einem Vollprogramm zieht die Piratenpartei in die nordrhein-westfälische Landtagswahl. Schwerpunkte setzten die 380 Piraten, die am Wochenende zum Programmparteitag nach Dortmund gekommen waren, vor allem in den Bereichen Innen- und Bildungspolitik. In der Partei gilt das Basisprinzip, stimmberechtigt war jedes anwesende der aktuell etwa 4.800 Landesparteimitglieder.

Dabei wandten sich die Piraten einmal mehr gegen die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung und gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung. Bekannte Kriminalitätsschwerpunkte sollen stattdessen verstärkt von Polizisten kontrolliert werden. Für die wird die Einführung eines „Identifikationsmerkmals“ gefordert – schließlich gebe es immer wieder „Berichte von rechtswidrigen Übergriffen der Polizei auf Bürger“, heißt es in dem Wahlprogramm.

In der Bildungspolitik fordern die Newcomer die Einführung eines eingliedrigen Schulsystems, das eine frühzeitige soziale Selektion von Kindern abhängig vom Elternhaus verhindern soll. Auch das „Sitzenbleiben“ soll der Vergangenheit angehören – statt ganzer Jahre sollen in einem Kurssystem nur noch einzelne Fächer wiederholt werden.

Modellschulen geplant

Umgesetzt werden soll die Bildungsrevolution allerdings nur schrittweise: „Zunächst möchten wir einige Modellschulen einrichten“, sagte der auf Platz eins der Landesliste kandidierende Medienpädagoge Joachim Paul der taz.

In Nordrhein-Westfalen wird am 13. Mai neu gewählt, nachdem die Opposition aus CDU, FDP und Linkspartei den Haushaltsentwurf der rot-grünen Minderheitsregierung von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Mitte März geschlossen abgelehnt hatte. Liberale und Linke könnten sich damit selbst dauerhaft aus dem Landtag gekegelt haben: Eine von der Wirtschaftswoche in Auftrag gegebene Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Info sieht beide bei gerade einmal 3 Prozent.

Die Piraten sieht die Erhebung dagegen schon als drittstärkste Kraft – sie liegen laut Info in Nordrhein-Westfalen bei 11 Prozent, die Grünen dagegen nur noch bei 10 Prozent. Trotzdem kann Rot-Grün weiter auf eine eigene Mehrheit hoffen – die SPD kommt nach der Info-Untersuchung auf 40, die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Norbert Röttgen nur noch auf 29 Prozent.

Unklare Finanzierung

Unklar bleibt aber die Finanzierung vieler teurer Forderungen der NRW-Piraten: Die Zahl der Kinder in Grundschulklassen soll auf 15 begrenzt werden, StudentInnen Bafög künftig unabhängig vom Einkommen der Eltern beziehen. Der Nahverkehr soll „fahrscheinlos“ funktionieren – doch wie viel jedeR dafür in Form einer allgemein verbindlichen Abgabe zahlen soll, sagen die Piraten nicht.

Parteiintern umstritten bleibt deshalb auch die Einführung einer Schuldenbremse: Die wird zwar von Landesparteichef Michele Marsching befürwortet. Spitzenkandidat Paul äußert sich dagegen deutlich zurückhaltender: „NRW hat kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem“, betont er – und klingt damit wie Sozialdemokraten und Grüne.

Originell ist auch die Position des Arbeitskreises Drogen. Der will nicht nur den Konsum, sondern auch den Anbau von Cannabis in Nordrhein-Westfalen legalisieren. „Damit entfallen die Gewinne für das organisierte Verbrechen“, argumentiert Arbeitskreissprecher Andreas Rohde. Wie viele Piraten setzt Simone Brand, auf Platz fünf eine der wenigen Frauen auf der Landesliste und Fachfrau für Verbraucherschutz, deshalb zunächst auf eine Oppositionsrolle: „Aktuell haben SPD und Grüne doch 50 Prozent. Reicht doch.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.