Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen: Vom Erfolg überrollt

Sieben Wochen vor der Landtagswahl können sich die Piraten vor Neumitgliedern kaum retten. Intern wird bereits vor „Trittbrettfahrern“ gewarnt.

Hat einen Shitstorm am Hals: NRW-Oberpirat Michele Marsching (l.) mit seinem Stellvertreter Kai Schmalenbach. Bild: dpa

RHEINE taz | Kurz vor dem Parteitag der nordrhein-westfälischen Piraten sorgt deren Chef für Aufregung: Der Vorsitzende Michele Marsching könne sich vorstellen, einer Diätenerhöhung zuzustimmen, meldete die Agentur dapd. Marsching erntete prompt einen „Shitstorm“: Als „geldgeiles Arschloch“ werde er auf Twitter beschimpft, klagt der 33-Jährige in seinem Blog.

Mehr Geld für die Abgeordneten – das ist in Nordrhein-Westfalen ein Reizthema. Erst Anfang Februar beschlossen die Parlamentarier von SPD, CDU und Grünen eine Erhöhung ihrer Bezüge um 500 auf jetzt 10.726 Euro – allerdings für ein Versorgungswerk für die (sehr ordentlichen) Altersbezüge.

Parteiintern herrscht dennoch Empörung: „Keine Diätenerhöhungszusage“, schreibt etwa Jochen Lobnig auf der Homepage der NRW-Piraten – und setzt drei Ausrufezeichen dahinter. Auch Marsching gibt sich jetzt zurückhaltend. „Ich fordere lediglich einen Inflationsausgleich“, sagte er der taz. „Die außerplanmäßige Erhöhung von 500 Euro muss zurückgenommen werden.“

Der Streit zeigt, mit welcher Spannung die Piraten auf ihren Personalparteitag am kommenden Wochenende zugehen: In Münster bewerben sich neben Marsching 26 Männer und 6 Frauen allein um die Spitzenkandidatur. Mehr als 120 weitere PiratInnen kandidieren für ein Abgeordnetenmandat. Ihre Chancen, bei den vorzeitigen Wahlen am 13. Mai in den Landtag einziehen zu können, stehen nicht schlecht: Am Mittwoch sah eine Forsa-Umfrage ihre Partei bei 6 Prozent.

Allerdings scheint sieben Wochen vor der Wahl noch alles offen. FDP und Linkspartei werden aktuell bei 4 Prozent gehandelt. Selbst die sicher geglaubte absolute Mehrheit für Rot-Grün wackelt: Die SPD liegt bei 39, die Grünen liegen aber nur noch bei 11 Prozent.

„Trittbrettfahrer“ und „Karrieristen“

Die Piraten dagegen werden von Neumitgliedern überrannt. Intern warnen einige bereits vor „Trittbrettfahrern“ und „Karrieristen“. Im Arbeitszimmer seines Hauses im münsterländischen Rheine bereitet Landessprecher Achim Müller Journalisten deshalb auf einen unorthodoxen Parteitagsverlauf vor: Zwar bestehe die Partei auf Basisdemokratie – beim „Kandidatengrillen“ kann jeder Pirat mitmachen. Wer aber erst jetzt eintritt, dürfte am Wochenende noch nicht registriert sein und ist damit nicht stimmberechtigt.

Wen die über 700 Piraten, die in der Halle Münsterland erwartet werden, zum Spitzenkandidaten machen, ist deshalb völlig offen – als chancenreich gilt neben Parteichef Marsching etwa der Theologe Hans Immanuel Herbers, der schon 1979 bei der Gründung der Grünen dabei war. Inhalte stehen noch nicht fest: Ein Programmparteitag folgt Mitte April. „Wir mussten das Personal vorziehen – sonst bekommen wir die nötigen Unterstützerunterschriften nicht zusammen“, erklärt Parteisprecher Müller.

Inhaltlich wollten sich die Piraten an ihrem Programm von 2010 orientieren, sagt der 48-Jährige. Schon das setzte nicht nur auf Internetthemen – umgekehrt greifen auch die anderen Parteien diese auf. Die Linkspartei diskutiert in NRW über kostenlose WLAN-Verbindungen, und die Grünen wollen im Netz über längere Ladenöffnungszeiten abstimmen lassen. „Wir stehen“, wirbt Piratensprecher Müller, „auch für Chancengleichheit im Bildungssystem, erneuerbare Energie und den Ausbau von Bus und Bahn“.

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