Piratentreffen in Berlin: Die große Vorsicht im „Real Life“

Piraten-Abgeordnete aus vier Landtagsfraktionen diskutieren in Berlin, wie sie die Nähe zur Basis nicht verlieren. Dabei wollen sie trotzdem professioneller werden.

Online nicht zu gebrauchen: Kugelschreiber mit dem Logo der Piratenpartei. Bild: dapd

BERLIN taz | Wenn die internetaffinen Piraten wichtige Dinge zu besprechen haben, begegnen auch sie sich von Angesicht zu Angesicht. Sie nennen das ein Treffen im „Real Life“.

Es sei ein „historischer Moment“, sagt Johannes Ponader, der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, „noch nie waren so viele gewählte Piraten gemeinsam an einem Platz.“ Gut 30 Neulinge aus den Landesparlamenten in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland trafen sich am Samstag mit ihren Berliner Kollegen, die bereits 2011 ins Abgeordnetenhaus eingezogen waren.

45 Piraten sitzen inzwischen in deutschen Landesparlamenten. In den Umfragen aber hat die Partei verloren, laut dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend würden 9 Prozent die Piraten wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Bislang lag die Partei bei 11 Prozent in den Umfragen.

Die Piraten haben mittlerweile mehr als 32.000 Mitglieder – und präsentieren sich als eine Partei, die nicht genau weiß, wie sie ihr Wachstum meistern soll. Es gibt Klagen über ein „raues Klima“: Vor Kurzem haben zwei ehrenamtliche Pressesprecher den Job geschmissen. Weil sie überarbeitet waren, hieß es erst. Dann wurde von Schlägen mit einem LAN-Kabel gesprochen und von Mobbing.

Ministerpräsidenten wählen

Es brauche Professionalisierung, fordern jetzt verstärkt einige Piraten. Nur zwei hauptamtliche Mitarbeiter hat die Bundespartei bislang. Die Professionalisierungsfrage spaltet die Partei. Michael Hilberer etwa, Fraktionsvorsitzender im Saarland, befürwortet grundsätzlich eine Bezahlung, „damit die Vorstände so effektiv arbeiten können, wie wir sie brauchen“.

Patrick Breyer, Fraktionschef in Schleswig-Holstein, hält dagegen, „dass in einem ehrenamtlichen Vorstand niemand nur wegen des Geldes sitzt“. Allerdings: Die Partei könnte sich eine Bezahlung momentan sowieso nicht leisten.

Schleswig-Holstein, der jüngsten Piratenfraktion, kommt möglicherweise eine entscheidende Rolle zu, wenn am Dienstag Torsten Albig (SPD) zum Ministerpräsidenten gewählt werden soll. Denn die Koalition aus SPD, Grünen und SSW (Partei der dänischen Minderheit) hat nur eine Stimme Mehrheit. Sollte einer aus den Koalitionsfraktionen seine Stimme verweigern, könnte es also an den Piraten liegen, ob Albig Ministerpräsident wird.

Die Entscheidung, ob sie Albig mitwählen, erfolge „auf Grundlage des Basisvotums“, sagt Breyer. Bis Montagmittag können die Mitglieder online ihre Meinung mitteilen, bindend ist das Votum für die Piraten-Abgeordneten aber nicht.

Ohne Basis geht es nicht

Ohne die Beteiligung der Basis geht nichts, das ist das Credo der Piraten. Möglichst oft im „Real Life“ will die Fraktion daher tagen, in Schleswig-Holstein etwa abwechselnd an sechs dezentralen Orten. Und natürlich auch im Internet. Mit welcher Software und wie genau, darüber stritten die Piraten auch am Samstag wieder heftig.

Die Berliner gaben Tipps weiter, was die Parlamentsarbeit angeht: freundlich grüßen, nicht zu amateurhaft auftreten, früh mit den anderen Fraktionen reden, in den Ausschüssen ruhig auch vermeintlich dumme Fragen stellen. Viel sei da sowieso nur Show – und ernüchternd.

Der Abgeordnete Pavel Mayer sagte, ihn habe es überrascht, dass die meisten Gesetze gar nicht im Parlament gemacht werden, sondern aus der Verwaltung kommen. Die Sommerpause sei doch ideal, um eigene Themen zu setzen, regte sein Kollege Lauer an. Und erinnerte sicherheitshalber gleich an die lästige Debatte um den Begriff „Tittenbonus“, den ein Kollege vor einer Weile benutzte. Alle sollten aufpassen, was sie den Sommer über so twittern: „Dass aus einem Tweet nicht eine Geschichte wird, die das ganze Sommerloch bestimmt.“

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