Polens Fußball nach der EM: Neue Impulse statt Blockade

Der polnische Fußball braucht grundlegende Reformen. Doch die drei Aspiranten auf den Chefsessel des Verbandes PZPN stehen eher für alte Seilschaften als für Effizienz.

Zeit für was Neues: Der polnische Verbandschef Michal Listkiewicz (l.) mit seinem ukrainischen Amtskollegen Grygoriy Surkis. Bild: dapd

WARSCHAU taz | Rauer Ton in nobler Umgebung: „Verpiss dich!“, zischte Adam Olkowicz in Richtung Michal Listkiewicz. Der eine ist Chef des Organisationskomitees der EM 2012 und ein Vizepräsident des polnischen Fußballverbandes PZPN, der andere ehemaliger PZPN-Präsident und Exchef dieses Organisationskomitees.

Zugetragen hat sich der von der Presse genüsslich breitgetretene Vorfall in der Halbzeitpause des Halbfinales Deutschland–Italien in der VIP-Lounge des Stadion Narodowy in Warschau. Er zeigt, dass hinter den Kulissen des noch laufenden Turniers bereits mit harten Bandagen um künftige Posten im polnischen Fußball gerungen wurde.

Im Oktober endet die vierjährige Amtszeit des PZPN-Präsidenten Grzegorz Lato. Die große Frage ist, ob der Verband endlich die Zeitenwende einläutet. Olkowicz werden Ambitionen auf den Chefsessel des PZPN nachgesagt, wofür er durch die unfallfreie Organisation des polnischen Teils der EM 2012 viele Pluspunkte gesammelt hat.

Listkiewicz, der sich als kultivierter, wortgewandter Mann von Welt inszeniert, ist dagegen so etwas wie ein Medienliebling. Doch hat sich der gelernte Journalist als ehemaliger Schiedsrichter mit Verbandskarriere so tief in das Korruptionssystem, das sich in Polen nach 1989 herausgebildet hat, verstrickt, dass man ihn als Verbandspräsidenten 2008 vom Hof jagte. Da er der Ansicht ist, nichts besser zu können als dem PZPN zu dienen, betrachtet er seine vierjährige Karenzzeit als genug der Buße und drängt zurück „zu der Arbeit, von der ich etwas verstehe“.

Seit mehr als 20 Jahren keine Transparenz

Aber auch der eher trinkfest-bäuerliche Typ Grzegorz Lato fühlt sich zu einer zweiten Amtszeit berufen. Obwohl seine erste eine Aneinanderreihung von peinlichen Fehlleistungen und verpassten Chancen ist, hat er einen Amtsbonus in Form von guten Beziehungen zu den regionalen Verbandsfürsten, die bei der Wahl des PZPN-Präsidiums eine gewichtige Rolle spielen.

Alle drei Herren haben eins gemeinsam: sie sind Repräsentanten des „Ancien Régime“, das die Schaffung von transparenten, effizienten Strukturen im polnischen Fußball seit mehr als zwei Jahrzehnten blockiert. Als die EM 2012 vor fünf Jahren an Polen und die Ukraine vergeben wurden, fand eine Initialzündung nicht statt, obwohl die Gelder da gewesen wären. Weder wurde die Nachwuchsförderung grundlegend systematisiert noch ein geordnetes Lizenzierungsverfahren der Profiklubs entwickelt und das Gewaltpotenzial in deren Umfeld bekämpft.

Der polnische Fußball braucht jetzt Impulse von außen, durch die die Macht der alten Seilschaften beim Verband gebrochen werden kann. Da solche Impulse von der Sportministerin Joanna Mucha nicht zu erwarten sind, könnte Premier Donald Tusk den PZPN sogar zur obersten Chefsache machen.

Schließlich geht es auch darum, den Wert der für die EM getätigten Investitionen zu sichern. Nur durch eine langfristige Hebung des sportlichen Niveaus und die Schaffung eines familientauglichen Umfelds im Profifußball werden die neuen Stadien halbwegs ausgelastet sein, wodurch ein Nachholeffekt bei immer mehr Vereinen ausgelöst werden könnte. Vielleicht klappt es dann auch mal mit der Nationalmannschaft.

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