Politische Krise in Nicaragua: Paramilitärs, Folter und Hinrichtungen

In Nicaragua haben am Donnerstag erneut Tausende gegen die Regierung von Daniel Ortega demonstriert. Und wieder gab es Tote.

Im Vordergrund eine maskierte Demonstrantin, die einen selbstgebauten Granatwerfer in der Hand hält. Im Hintergrund Menschen mit blau-weißen nicaraguanischen Fahnen.

Protestmarsch in Managua am Donnerstag Foto: reuters

WIEN taz | Mehrere hunderttausend Menschen sind am Donnerstag in Managua, Masaya und anderen Städten Nicaraguas auf die Straße gegangen, um die Regierung von Daniel Ortega unter Druck setzen.

Nach ersten Meldungen wurden dabei in der Stadt Morrito im Südwesten des Landes mindestens fünf Menschen getötet, darunter vier Polizisten. Das Menschenrechtszentrum Cenidh berichtet, der Protestzug sei vor einer Polizeistation von regierungstreuen Paramilitärs attackiert worden. Daraufhin hätten einige der Demonstranten geschossen. Für Freitag ruft die Opposition zu einem Generalstreik auf. Auch die Ortega-Regierung mobilisiert zu einer Kundgebung.

Seit fast drei Monaten tobt in dem zentralamerikanischen Staat ein Aufstand gegen Ortega und dessen Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo, der nach Angaben unabhängiger Menschenrechtskommissionen bis Wochenmitte 351 Todesopfer gefordert hat. Allein am Wochenende wurden über 20 Menschen getötet.

Von Regierungsseite wird der Konflikt vor allem mit Schlägertruppen ausgetragen, deren Mitglieder meist maskiert auftreten und zunehmend mit Kriegswaffen ausgerüstet sind.

Glaubwürdige Hinweise auf Geheimgefängnisse

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) legte nach ihrem zweiten Besuch der Organisation Amerikanischer Staaten einen vernichtenden vorläufigen Bericht vor. Beim gewaltsamen Räumen von Barrikaden und Straßensperren seien Dutzende Personen getötet, verletzt oder festgenommen worden. Man habe glaubwürdige Hinweise auf Geheimgefängnisse und appelliere an die Regierung, die Schlägertrupps zu demobilisieren.

Der CIDH-Bericht wurde am Mittwoch von der Organisation Amerikanischer Staaten in Washington fast einhellig unterstützt. Nur Venezuela und Bolivien stimmten dagegen. Für sie gilt die Version der Regierung, dass es sich um eine von den USA angezettelte Verschwörung handle.

Am Dienstag legte auch die von der Regierung eingesetzte „Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden“ ihren Zwischenbericht vor. Es gelingt ihr zwar nicht, die Regierung gänzlich von Verantwortung freizusprechen, doch setzt sie die Opferzahl bis zum 4. Juli bei „nur“ 222 an.

Befreite Inhaftierte berichten von Folter

Auf Schuldzuweisungen verzichtet der Bericht. Viele seien „im Kreuzfeuer“ gestorben. Allerdings werden Kopfschüsse, „die auf Scharfschützen hindeuten“, bestätigt. Die Pressezensur zu Beginn des Konflikts Mitte April wird als Fehler bezeichnet.

In den sozialen Medien zirkulieren Fotos eines halbnackten, an den Händen gefesselten Mannes, der von Maskierten abgeführt wird und später tot in seinem Blut liegt. Inhaftierte, die befreit wurden, berichten von Folter.

Der oppositionelle Ex-General Hugo Torres bestätigte im Interview mit TV 12, dass er auf Aufnahmen von Repressionsakten in Diriamba und Jinotepe Paramilitärs mit Kriegswaffen gesehen habe: „Waffen, die nur die Armee benutzt und in den Händen von Polizei, irregulären Kräften oder Banditen“ nichts verloren hätten. Darunter leichte Maschinengewehre, Granatwerfer und Panzerabwehrkanonen. Er fordert von der Armeeführung, die sich bisher aus dem Konflikt herausgehalten hat, eine Erklärung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.