Polizistinnenmord in Heilbronn: Rechtsterroristen waren wohl Täter

In der Wohnung dreier seit Jahren untergetauchter Neonazis fand die Polizei eine baugleiche Pistole wie die, mit der im April 2007 in Heilbronn eine Polizistin ermordet wurde.

Die Polizistin wurde offenbar von ehemaligen Rechtsradikalen erschossen. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist eine der spektakulärsten Wendungen, die ein Kriminalfall je erfahren hat. Noch sind viele Fragen offen, doch die Hinweise verdichten sich: Die im Jahr 2007 in Heilbronn getötete Polizistin Michele Kiesewetter wurde allem Anschein nach von ehemaligen Rechtsterroristen aus Thüringen erschossen. Auch für eine ganze Serie von Banküberfällen sollen sie verantwortlich sein.

Im Wohnmobil und in der Wohnung von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die beide am Wochenende vermutlich nach einem Doppelsuizid tot in Eisenach aufgefunden wurden, fand man nicht nur die Dienstwaffe und die Handschellen der Polizistin: Nach Angaben des baden-württembergischen Landeskriminalamts wurde inzwischen auch eine Pistole desselben Typs sichergestellt wie die Waffe, mit der Kiesewetter vor vier Jahren erschossen wurde. Ob es sich tatsächlich um die Mordwaffe handelt, wird nun überprüft.

Völlig unklar ist aber noch, ob Böhnhardt oder Mundlos 2007 in Heilbronn die tödlichen Schüsse auf Kiesewetter abfeuerte, doch die Ermittler glauben, dass es einer von ihnen gewesen sein muss. Die Ermittler hoffen auf die Aussagen einer Komplizin der beiden Schwerkriminellen, die seit Jahren mit ihnen im Untergrund gelebt hatte. Beate Z. hatte sich am Dienstag der Polizei gestellt, nachdem sie zuvor wohl die Wohnung des Trios in Zwickau in Brand gesteckt hatte. Sie sitzt nun in U-Haft, schweigt aber bisher.

Das Trio gehörte in den neunziger Jahren der neonazistischen Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" an. Nachdem 1997 auf dem Jenaer Theatervorplatz ein Sprengstoffkoffer mit Hakenkreuz gefunden wird und die Polizei kurz darauf eine Bombenwerkstatt der Neonazis aushebt, gelingt Bönhardt, Mundlos und Beate Z. unter ungeklärten Umständen die Flucht. 13 Jahre lang bleiben sie im Untergrund. Die Linkspartei mutmaßt nun, dass die Flucht damals "nicht ohne behördliche Unterstützung möglich gewesen sein" könne.

Der Thüringer Verfassungsschutz sah sich genötigt, den Vorwurf zurückzuweisen. Man habe seit 1998 "keine Kenntnis" über den Aufenthaltsort des Trios gehabt. Dem Landesamt lägen zudem "keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie bei der Flucht von staatlichen Stellen Unterstützung erhielten".

Doch wie viel Sprengstoff die Sache birgt, weiß jeder, der sich an die Affäre um Tino Brandt erinnert. Der war einst Vizelandeschef der Thüringer NPD - und arbeitete unter dem Decknamen "Otto" von 1994 bis 2001 als V-Mann des Verfassungsschutzes. Das war einer der Gründe, warum 2003 das Verbot der rechtsextremen NPD vor dem Verfassungsgericht scheiterte.

V-Mann Brandt war auch der führende Kopf der braunen Kameraden vom "Thüringer Heimatschutz" - also der Chef der späteren mutmaßlichen Mörder von Heilbronn.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.