Polnische Politpiraten: Eine deutsch-polnische Geschichte

Ein Dokumentarfilm erzählt die Geschichte des Clubs der polnischen Versager. Die haben soeben die erste Polnische Partei Deutschlands (PPD) gegründet.

Gründungsparty der Polnischen Partei Deutschland im Club der polnischen Versager Foto: Julia Baier

Vielleicht ist der größte Erfolg der polnischen Versager das Staunen der Deutschen. Vor langer Zeit, erzählt Cornelius Ochmann, heute einer von zwei Geschäftsführern der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, habe er sich bei einer Tagung an die Hotelbar verdrückt. Im Fernsehen lief Bioleks Talkshow, und Ochmann eröffnete den verdutzten Tagungsteilnehmern, dass dort neben Britney Spears gleich zwei Vertreter des Clubs der polnischen Versager auftreten würden. Einer von beiden war Piotr Mordel. „Mordel“, so Ochmann, „erklärte dem Publikum, wie man Versager sein kann und trotzdem ein glücklicher Mensch. Britney Spears dagegen hat nicht mal drei Sätze herausgekriegt.“

Cornelius Ochmann ist einer von zwei Dutzend Zeitzeugen, Clubgründern und Beobachterinnen, die die Geschichte des 2001 gegründeten Clubs der polnischen Versager in dem Dokumentarfilm „Versager PL“ von Jacek Papis als vielstimmiger Chor erzählen. Auch die Rolle des Clubs für die deutsch-polnischen Beziehungen ist natürlich Thema. „Vor der EU-Erweiterung 2004 hatten alle Angst, weil sie fürchteten, dass sich Millionen aus Polen, Tschechien oder Ungarn auf den Weg machen und den Deutschen ihre Arbeitsplätze wegnehmen“, erinnert Ochmann. „Da hatte das Auftauchen eines Clubs der polnischen Versager in der Berliner Kulturszene eine gigantische Bedeutung.“ Sogar Bundesminister haben sich dort sehen lassen. „Der Club war der touristische Ma­gnet des neuen Berlin“, sagt Ochmann.

Einen Film über einen Club zu machen, der schon kurz nach seiner Gründung Kultstatus hatte, läuft Gefahr, Legenden zu stricken. Jacek Papis entgeht ihr, in dem er vor allem Ehemalige zu Wort kommen lässt. Nicht alle sind im Guten auseinandergegangen, aber für den 55-minütigen Film sind sie wieder vor der Kamera zusammengekommen.

Legale und illegale Versager

Nicht aus jedem Konflikt ist ein versöhnlicher Schwank geworden. Im Rückblick behauptet der Autor Leszek Oświęcimski, es gebe inzwischen legale und illegale Versager. Die Illegalen seien die, die ihre Ideale bewahrt hätten. „Die Legalen dagegen täuschen den Versager nur vor.“ Hinter Sätzen wie diesen verbirgt sich auch eine Diskussion, die bis heute andauert. Dürfen die polnischen Versager Erfolg haben?

Der Name des Clubs geht auf ein Gespräch zurück, das Oświęcimski in den Neunzigern mit dem Regisseur Krzysztof Visconti hatte. „Visconti sagte über die Polonia [die Organisationen der Auslandspolen; U. R.] dass das alles Versager seien“, erinnert sich Oświęcimski. „Da hakte ich ein, ich sah das mit dem Versagen eher positiv.“ Ein anderes Gründungsmitglied, der Schriftsteller Wojciech Stamm, ergänzt: „Leszek entwickelte daraus eine Theorie des Versagens, die das alles genial auf den Punkt brachte.“ Denn anders als beim deutschen Versager, bei dem das Scheitern immer schon mitschwingt, sieht man dem polnischen nieu­dacznik das Scheitern gern nach. Es ist vom Wortstamm her ohnehin mehr ein Nichtgelingen.

Sowohl Stamm als auch Oświęcimski kamen 1988 aus dem kommunistischen Polen nach Westberlin, in die Stadt, deren buntes Leben die grauen Fassaden in ein anderes Licht tauchte. Sie gründeten eine Literaturzeitschrift namens Kolano (Knie) und traten in der Show „Babcia Zosia“ (Oma Zosia) auf. Stamm: „Wir wollten die beste Show der Welt machen; das ist uns auch gelungen.“

„Leise und groß“

In einer der Shows hatte auch Magdalena Gnatowska ein Gastspiel; auf der Bühne wurde sie als „bedeutender Star aus Warschau“ angekündigt. „Der Witz, den sie haben, ist so leise und doch so groß“, sagt Gnatowska, die selbst nie zum Club gehörte, noch heute. Auch das zeigt der Film: Die polnischen Versager sind allesamt männlich.

Und vielleicht sind sie auch nicht so ganz aus dieser Zeit. Das Berlin, das Papis zeigt, zugige Dachkammern, nackte Zimmerwände, Graffiti, ist so sehr neunziger Jahre, dass man die gesichtslosen glatten Fassaden der Gegenwart, die dagegengeschnitten sind, kaum wahrnimmt.

Der Club selbst ist dagegen ein Kind der nuller Jahre, in denen alles Nomadenhafte und Flüchtige längst seinen festen Platz hatte. „Um Wirkung zu erzeugen, musste man einen Ort haben“, erinnert Roman Lipski, der damals ebenfalls dabei war. Also bezog der Club in der Torstraße neben dem Kaffee Burger und der Russendisko von Wladimir Kaminer eine feste Adres­se, bevor er 2007 in die Ackerstraße zog. Ein fester Ort, das war nicht für jeden etwas. „Viele, die den Club mitgegründet haben, kamen irgendwann nicht mehr oder haben sich in alle Winde zerstreut“, sagt Lipski. Wojciech Stamm verdient sein Geld in einem Altenheim in Puck bei Danzig. Leszek Oświęcimski verkauft Biogemüse auf dem Markt in Koszalin an der polnischen Ostsee. Roman Lipski ist ein überaus erfolgreicher Maler.

Geblieben sind dagegen Piotr Mordel und Adam Gusowski, der seit 15 Jahren mit von der Partie ist. Die beiden, die Oświęcimski zu den legalen, weil erfolgreichen Versagern zählt, haben mit der Gründung der Polnischen Partei Deutschlands (PPD) wieder einmal Neuland betreten.

Und gerne wünschte man ihnen, dass sie scheitern – aber auf polnische Art.

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