Präsidentenwahl in Weißrussland: Der ewige Lukaschenko

Niemand zweifelt daran, dass der Staatschef am Sonntag für eine weitere Amtszeit gewählt wird. Er gilt vielen noch immer als Garant der Stabilität.

Präsident Alexander Lukaschenko und sein Sohn Kolja bei einer Militärparade

Präsident Alexander Lukaschenko und sein Sohn Kolja bei einer Militärparade. Foto: Imago/Inter-Tass

BERLIN taz | Geschlagene zehn Stunden brauchte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko am vergangenen Donnerstag, um der ersten Literaturnobelpreisträgerin seines Landes, Swetlana Alexijevitsch, zu ihrem grandiosen Erfolg zu gratulieren. Dabei steht der 63jährige bei dererlei Anlässen immer gerne und stramm im Rampenlicht.

Doch dieses Mal brauchte er etwas länger, weil er keinen Konkurrenten - egal auf welchem Feld - neben sich duldet. Er selbst wurde vor zwei Jahren mit dem „Anti-Nobelpreis“ ausgezeichnet. Lukaschenko hatte nämlich die geniale Idee, das Applaudieren in der Öffentlichkeit, mit dem die Weißrussen ihren Protest gegen die Regierung ausdrückten, zu verbieten. Erstes Opfer war bezeichnenderweise ein Einarmiger.

Am kommenden Sonntag dürfte Dauerherrscher Lukaschenko einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde einen weiteren großen Schritt näher kommen. Dann finden Präsidentenwahlen statt und der Sieg ist „Batka“ (Väterchen), wie ihn seine Landsleute nennen, sicher.

1994 trat der ehemalige Leiter eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebes (Sowchose) erstmals bei Präsidentenwahlen an. Vor allem sein Versprechen, die Korruption effektiv bekämpfen zu wollen, kam bei der Bevölkerung gut an.

Totale Kontrolle

Sein wahres Gesicht zeigte er zwei Jahre später. Mit einer gefälschten Volksabstimmung setzte er eine Verfassungsänderung durch, die ihm unbegrenzte Vollmachten verschaffte. Auf diese Art und Weise sicherte er sich eine totale Kontrolle über das Parlament, die Gerichte, die Zentrale Wahlkommission sowie die staatlichen Medien. 2004 setzte er noch eins drauf und ließ sich von seinem Volk die Möglichkeit absegnen, beliebig oft bei Präsidentenwahlen anzutreten.

2010 war es wieder einmal so weit. Lukaschenko fuhr mit knapp 80 Prozent der Stimmen einen „eleganten“ Sieg ein. Wieder einmal galt: „Es ist nicht wichtig, wie man wählt, sondern wie man zählt.“ (Dieser Ausspruch wird Stalin zugeschrieben).

Diesem Prinzip folgte auch die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Lidia Jermoschina, die für ihre „Rechenkünste“ bekannt ist. Als fast alle oppositionelle Präsidentschaftskandidaten und rund 100 000 unzufriedene Wähler bei Massenprotesten die mathematischen Fähigkeiten von Lidia Jermoschina in Frage stellten, wurde ihnen die richtige Mathematik mit Schlagstöcken der Polizei beigebracht. Oppositionelle Präsidentschaftskandidaten mussten im Gefängnis „nachsitzen“. Der in Sachen Rechnen offenbar völlig „unfähige“ Präsidentschaftskandidat Nikolaj Statkevitsch brauchte dazu fast fünf Jahre und wurde erst vor kurzem aus der Haft entlassen.

Das war offensichtlich ein Schritt Lukaschenkos, sich bei dem „dekanten“ Westen anzubiedern. Dieser Plan könnte aufgehen, ließ die EU doch in der zweiten Wochenhälfte eine vorsichtige Ankündigung fallen: Die Sanktionen, die Brüssel gegen Lukaschenko und weitere hohe Amtsträger wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen 2011 verhängt hat, könnten zeitweise aufgehoben werden.

Adolf Hitler im ZDF?

Im selben Jahr übrigens brachten Fernsehbilder des schnurbärtigen Lukaschenko, der sich hin und wieder gerne in Uniform zeigt und sich vergeblich bemüht, seine Glatze zu kaschieren, dem ZDF zahlreiche Anrufe erboster Zuschauer ein. Sie meinten Adolf Hitler gesehen zu haben.

Mit dem hat Lukaschenko übrigens kein Problem, im Gegenteil: Aus seiner Sympathie macht „Batka“ kein Hehl. Zumindest habe Hitler gezeigt, wie man einen Staat zu Ordnung und Disziplin erziehe, findet er.

So sehr Lukaschenko Hitler bewundert, so sehr verachtet er Homosexuelle. „Besser Diktator sein als schwul“, sagte Lukaschenko 2012 und meinte damit den damaligen deutschen Außenminister Guido Westerwelle.

Lukaschenko pocht auf traditionelle Familienwerte, mit denen er es selber aber nicht so genau nimmt. Mit seiner ersten Ehefrau lebt er schon lange nicht mehr zusammen. Stattdessen nimmt sein jüngster außerehelicher Sohn, der 12jährige Kolja, die Stelle der „First Lady“ bei Staatsbesuchen ein - wie unlängst bei der UNO-Generalversammlung in New-York.

Massive Repressionen

Selbst Kritiker Lukaschenkos räumen ein, dass er auch ohne Wahlfälschungen die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat. Warum? Die Opposition ist aufgrund massiver Repressionen (einige Kritiker sind „spurlos verschwunden“) weitestgehend ausgeschaltet und stellt daher keine Alternative dar.

Darüber hinaus kann sich Lukaschenko damit brüsten, der Mehrheit seiner Landsleute ein, wenn auch bescheidenes, Auskommen zu bieten. Das Durchnittsgehalt liegt bei rund 365 Euro monatlich, die Rente immerhin bei 134 Euro (Das reicht für 200 Kilogramm Kartoffeln). Anders als in Russland gibt es bei der Auszahlung keine Verzögerungen.

Das alles kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wirtschaftssystem ineffektiv ist. Es kann nur nur durch großzügige Preisnachlässe für russische Gas-und Ölimporte aufrechterhalten werden, an Russland jedoch politische Loyalität knüpft. Diese große Abhängigkeit von Russland könnte Lukaschenko jedoch in Bedrängnis bringen. Im vergangenen Januar musste die weißrussische Währung stark abgewertet werden, nachdem auch der russische Rubel wegen der westlichen Wirtschaftssanktionen und dem Ölpreisverfall stark an Wert verloren hatte.

Aber auch diesen Schwierigkeiten glaubt Lukaschenko bei kommen zu können. Seit Anfang des Jahres gibt es ein Gesetz, wonach nicht angemeldete Arbeitslose jährlich umgerechnet rund 190 Euro Strafe an den Staat zahlen müssen. Angeblich arbeiteten viele Weißrussen schwarz und zahlten keine Steuer, aber nähmen soziale Leistungen in Anspruch, verkündete Lukaschenko. Heutzutage gebe es 400.000 „Schmarotzer“ in dem Neun-Millionen-Einwohner-Land.

Mit seiner Idee, Arbeitslose zu bestrafen anstatt sie zu unterstützen könnte sich Lukaschenko dann um den zweiten „Anti-Nobel-Preis“ - diesmal für Wirtschaft.

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