Pressefreiheit in der Ukraine: Überfall auf Enthüllungsjournalist

Ein ukrainischer Journalist recherchierte zum Thema Korruption städtischer Beamter. Nun liegt er schwer verletzt im Koma.

Ein Rettungswagen rast eine staubige Straße in der Ukraine entlang.

Einsatzwagen zur Rettung der Kollateralschäden einer Pressefreiheit in Not Foto: reuters

KIEW taz | Erneut ist ein ukrainischer Journalist bei einem Angriff lebensgefährlich verletzt worden. Am Samstag hatten Fußgänger im ostukrainischen Tscherkassy den schwer verletzten Vadim Komarow entdeckt. Unbekannte hatten ihm mit drei Schlägen mit einem Metallteil schwere Kopfverletzungen zugefügt. Dies berichtet die Menschenrechtsgruppe Charkiw unter Berufung auf örtliche Medien von Tscherkassy.

Nach Angaben von Sergiy Tomilenko, Chef der ukrainischen Journalistengewerkschaft, befindet sich Komarow, der noch am Samstagmorgen notoperiert worden war, im Koma. „Jetzt helfen nur noch die besten Ärzte und das Gebet“ zitiert das Internet-Portal korrespondent.net die Ehefrau von Komarow, Switlana Komarowa. Die Überlebenschancen ihres Mannes liegen bei 50 Prozent, so Komarowa.

Von den Tätern fehlt bisher jegliche Spur. Auch zum Tatmotiv will die Polizei keine Angaben machen. Vadim hatte sich auf den Weg zu seinen wöchentlichen Einkäufen gemacht. Mit seiner Frau wollte er nach Ägypten reisen, berichtet Valerij Makejew, Anwalt der Journalistengewerkschaft. Makejew ist sich sicher, dass der Überfall auf Komarow mit dessen Tätigkeit als Journalist in einem Zusammenhang steht.

So habe Komarow zu einer in der Stadt geplanten „Sportreform“ recherchiert. Im Rahmen dieser Reform war die Schließung mindestens einer Sportschule geplant. Komarow habe kurz vor dem Überfall seine Aufzeichnungen einer Gerichtsverhandlung zu dieser Reform zusammengetragen und mit Spannung einem Gespräch mit einem Insider entgegengesehen, der diesem wichtige Informationen über einen hohen Beamten der Stadt zugesagt hatte. Diesem war es gelungen, mit dem Attest einer psychischen Erkrankung einer Strafe zu entgehen. „Immer wieder hat Vadim Komarow in seinen Artikeln heiße Eisen angefasst“, berichtet die örtliche Zeitung Pro­tscherk.

„Komarow habe nachgewiesen, dass sich Beamte des Stadtrates mit unerlaubten Nebentätigkeiten ein Zubrot verdient hätten“

Am meisten Aufsehen erregten seine Veröffentlichungen zu einem Aufstand in der Strafkolonie Nr. 62 unweit der Stadt. In der Strafkolonie war in diesem Jahr das Ausnahmerecht ausgerufen worden. Daneben habe Komarow zu Veruntreuung städtischer Gelder, gesetzwidrig gebauter Häuser und Korruption gearbeitet. Der ukrainische Fernsehkanal TSN vermutet, der Anschlag auf Komarow stehe in einem Zusammenhang mit dessen Recherche zur Korruption städtischer Beamter. Komarow habe nachgewiesen, so Valerij Makejew, dass sich bestimmte Beamte des Stadtrates von Tscherkassy mit unerlaubten Nebentätigkeiten ein Zubrot verdient hätten.

Der jüngste Überfall auf den lokal bekannten Enthüllungsjournalisten war nicht der erste Angriff auf ihn. Bereits 2016 hatte ein Unbekannter versucht, Komarow zu erschießen. „Hoffen wir, dass die Ärzte auf der Intensivstation Erfolg haben und die Rechtsschutzorgane brutale Angriffe auf Journalisten aufklären“, schreibt Sergiy Tomilenko von der Journalistengewerkschaft auf seiner Facebook-Seite. „Ihm steht nun eine lange Behandlung und ein Kampf um sein Leben bevor.“ Komarow sei all denen in der Stadt ein Dorn im Auge gewesen, die Macht und Geld hätten.

23 Gewaltakte in den ersten vier Monaten

Gerade die Straflosigkeit von Gewaltakten gegen Journalisten, so Tomilenko, sei ein Einschüchterungsversuch aller Journalisten. Eine Woche zuvor, am 27. April, war ein Brandanschlag auf das Auto von Wolodimir Pisozkij, Chefredakteur der Zeitung Zorja, in der Stadt Dnipro verübt worden. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2019, so die ukrainische Journalistengewerkschaft bei einer Pressekonferenz Anfang Mai, habe man 23 Gewaltakte gegen Journalisten dokumentiert.

Insgesamt hatte die Journalistengewerkschaft 2018, so Sergiy Tomilenko im Januar, 86 Gewaltakte gegen Journalisten dokumentiert. Bei 12 Angriffen seien die Täter Beamte gewesen, zehn weitere waren von Angehörigen der Rechtsschutzorgane verübt worden.

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