Produktwerbung in sozialen Medien: Ich filme mich, also bin ich

Arzt, Anwalt und Manager waren gestern. Nun gibt es ein neues Berufsbild, das des Influencers. Gerade wurde ein Berufsverband gegründet.

Ein junger Mann mit Sonnenbrille, langen Haaren und Blumenkranz filmt sich selbst mit einem pinken Handy

Selbst ernannte Stars – Influencer filmen sich und verbreiten ihre Botschaften online Foto: dpa

Meistens sieht das so aus: Eine junge Frau oder ein junger Mann dreht ein Video, am Schreibtisch, auf dem Bett oder auch mal von unterwegs, und spricht darin über ein Thema, das die Follower interessiert: Beauty, Fitness oder auch Diskriminierung. Und zwischendurch wird auf ein Produkt hingewiesen: Kosmetik, Proteinshakes, Bücher. Für diese Werbung werden die sogenannten Influencer von Unternehmen bezahlt.

Für diese Influencer gründet sich gerade ein Branchenverband – oder vielmehr für diejenigen, die sie vermarkten. Zehn ChefInnen und GründerInnen von Werbeagenturen haben den Bundesverband Influencer Marketing (BVIM) eingetragen. Eine „Unabhängige Interessenvertretung der Branche“ nennt das Stefan Doktorowski, Vorstandsvorsitzender des neu gegründeten Vereins. Er ist Chef der Berliner Agentur Martensgarten und bezeichnet sich selbst als „Marketing Evangelist“ – in der Branche ein schickes Wort für Lobbyist. Ziel des Verbands ist es, die Professionalisierung von Influencer-Marketing voranzutreiben.

Auch wenn der Begriff in der Öffentlichkeit mitunter noch als etwas kurios wahrgenommen wird, ist Influencer Marketing längst ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig: Unternehmen haben ein Interesse an den Werbesternchen, weil sie vor allem junge Zielgruppen erreichen und weil ihre Werbung, über diesen Kanal verbreitet, nicht immer auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist.

Das Prinzip geht so: Die Influencerin liefert Reichweite. Sie ist selbst verantwortlich, diese aufrechtzuerhalten – durch Videos und Posts aus ihrem Leben, die ihre Glaubhaftigkeit und Authentizität in den Augen ihrer Gefolgschaft aufrechterhalten sollen. Firmen bezahlen sie dafür, dass sie diese Reichweite nutzt, um ihr Produkt in die Kamera zu halten. Und auch dafür, dass sie nicht auch das Produkt eines Mitbewerbers anpreist.

Printwerbung und TV-Spots ziehen nicht mehr

Damit reagieren Unternehmen darauf, dass junge Menschen in der Regel werberesistenter sind. „Heutige Konsumenten treffen ihre Kaufentscheidung wesentlich intelligenter als noch vor wenigen Jahren“, heißt es dazu auf der Website der Marketing-Agentur Brandkizz, die auch im Influencer-Verband vertreten ist. Heißt: Der typische Werbespot oder die Printanzeige mit SchauspielerInnen, die Dinge aus dem Drehbuch sagen, zieht nicht mehr. Und überhaupt, wer schaut denn noch Fernsehen? Influencer treten stattdessen als „Freunde“ im sozialen Netzwerk auf, als vertraute, authentische Gesichter, die Produkte eher empfehlen als bewerben.

„Über diesen Kanal verbreitete Werbung wird nicht immer auf den ersten Blick als solche erkannt“

Der Influencer-Verband beschäftigt sich bisher vor allem mit der Kennzeichnungspflicht. Wenn Influencer bezahlt werden oder Unternehmen ihnen Produkte im Wert von über 1.000 Euro kostenfrei zur Verfügung stellen, muss der Beitrag als Anzeige markiert werden. Bisher hält sich nicht jeder immer daran. Die Landesmedienanstalten gehen bisher wohlwollend davon aus, dass das vor allem mit Unwissenheit zutun hat. Doktorowski vermutet aber auch: „Manche Mitbewerber kennzeichnen ihren Content nicht als Werbung und verschaffen sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil.“ Diese Grauzone wolle man verkleinern. Sicher auch im Interesse der Agenturen, die hinter dem neuen Verband stehen.

Daneben will sich der Verband darum kümmern, dass einheitliche Messzahlen für die Reichweite – und damit den Wert – von Influencern etabliert werden. Bisher lassen sich auf Online-Tools wie klout.com Reichweiten-Quotienten ermitteln – die Algorithmen dahinter sind aber umstritten.

Einige Influencer können von ihrer Tätigkeit schon leben, manche machen sogar das große Geld. YouTube-Star Bianca Heinecke etwa, Betreiberin des Kanals BibisBeautyPalace, verdient mit Content-Marketing laut Schätzung des manager magazins über 100.000 Euro monatlich. Aber der Weg zu Hunderttausenden Followern ist weit und erfordert die Bereitschaft, ständig online aktiv zu sein. Die meisten dürften vom Influencer-Dasein bisher nicht leben können. Wer aber in jedem Fall ein lukratives Geschäft vor sich hat, sind die Agenturen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.