Professor Dickhuths Habilitation: Sportarzt soll abgeschrieben haben

Plagiatsvorwürfe gegen den Leiter des sportmedizinischen Instituts der Uni Freiburg. Hans-Herrmann Dickhuth steht im Verdacht, bei seiner Habilitationsschrift abgekupfert zu haben.

Nachdenklich: Hans-Herman Dickhuth. Bild: dpa

BERLIN taz | Hat der Assistent des Professors von sechs Doktoranden abgeschrieben und daraus eine Habilitationsschrift angefertigt, die ihn selbst zum Professor machen sollte? Oder haben die Doktoranden von dem Assistenten ihres Doktorvaters abgeschrieben? Oder war alles ganz anders? Damit muss sich derzeit der Habilitationsausschuss der Universität Freiburg befassen.

Ende Juni haben die Professoren der medizinischen Fakultät Post vom Rektorat bekommen, in der das Ergebnis einer Untersuchung mitgeteilt wurde. Im Blickpunkt stand die Habilitationsschrift des Leiters der Abteilung Sportmedizin an der Uniklinik Freiburg, Professor Hans-Hermann Dickhuth (64). Der Sportmediziner hatte – noch als Assistent seines Vorgängers und Vorbilds Joseph Keul – 1983 eine Arbeit vorgelegt, die ihm die Professur ermöglichte.

Dickhuth übernahm nach Keuls Tod im Jahre 2001 die Leitung der sportmedizinischen Abteilung. Zuvor hatte er die gleiche Position als Professor in Tübingen ausgeübt. Die Freiburger Sportmedizin war zu dieser Zeit bereits tief in die Leistungssteigerung von Spitzensportlern durch Doping verstrickt. Doch erst 2007 enthüllte der Spiegel die Freiburger Dopingzentrale des Profiradsports.

Letztlich ist die Untersuchung des Dopingskandals auch der Grund, weshalb die Übereinstimmungen von Doktorarbeiten und Habilitationsschrift ans Tageslicht kamen. Die sogenannte Große Dopingkommission unter Leitung der Mafiaspezialistin Letizia Paoli bemerkte vor einem Jahr, dass in einem Verzeichnis nicht alle Doktorarbeiten aufgelistet wurden, die an der Sportmedizin angefertigt worden waren. Und ausgerechnet zwei nach Anforderung nachgelieferte Dissertationen offenbarten verblüffende Übereinstimmungen mit Dickhuths Habilitationsschrift.

Der Kommissionsbericht des Rektorats ist streng vertraulich, aus der Uniklinik Freiburg ist jedoch durchgesickert, dass sich 65 von 75 Seiten der Dickhut-Habilitationsschrift mit Teilen aus sieben Dissertationen decken, die alle unter seiner Betreuung zu Beginn der 80er geschrieben und eingereicht wurden. Darunter auch die seiner Ehefrau.

Fehlende Quellenangaben

Übereinstimmungen gibt es sowohl bei den Fakten als auch dort, wo die Ergebnisse diskutiert werden. Dutzende von Textseiten, Abbildungen und Tabellen sollen sowohl bei Dickhuth als auch in den Doktorarbeiten vorkommen. Ohne Querverweis und Quellenangabe. Nicht einmal eine Danksagung im Vorwort weist auf die Doktoranden.

Alle in der Diskussion stehenden Arbeiten drehen sich um ein Thema, das in der Habilitationsschrift Dickhuths den Titel trägt: „Ein und zweidimensionale Echokardiografie zur Beurteilung der physiologischen und pathologischen Herzhypertrophie“. Solche Ultraschalluntersuchungen waren vor 30 Jahren eine neue Methode, um die Leistungsfähigkeit von Herzen zu bewerten.

Interessant auch für die Sportmedizin, die sich im Klima des kalten Medaillenkrieges der 70er und 80er Jahre zwischen Ost und West unverhohlen als medizinische Forschungsabteilung zur Steigerung des Spitzensports etabliert und entwickelt hatte. Angeregt hatte die Untersuchungsreihen Professor Joseph Keul, er war auch Gutachter aller Doktorarbeiten – mit einer Ausnahme. Keul und sein Assistent und späterer Nachfolger Dickhuth wollen beide von den später aufgedeckten Dopingpraktiken Freiburger Sportmediziner nichts gewusst haben. Die „Kleine Dopingkommission“ hatte in ihrem Abschlussbericht 2009 Dickhuth keine Mitwisserschaft nachweisen können.

Kein Kommentar der Universität

Weil das Freiburger Rektorat mit Verweis auf laufende Verfahren keine Stellungnahmen abgibt, können die Anwälte des kurz vor der Emeritierung stehenden Medizinprofessors Dickhuth ihre Erklärungen unwidersprochen verbreiten. Dickhuth habe „seine Habilitationsschrift in Gänze selbst verfasst und sich hierbei keiner Texte von Doktoranden bedient. Bestehende Zitier- und Nennungspflichten wurden erfüllt.“

Zitierpflicht setzte „einen eigenen wesentlichen Beitrag der Doktoranden voraus“. Es sei aber allein Dickhuth gewesen, der das zugrunde liegende Forschungsprojekt beherrscht und daher den Doktoranden methodische Textteile zur Verwendung überlassen habe. „Alle in den Verfahren zur Sache befragten Doktoranden“ hätten Dickhuth „entlastet und übereinstimmend nicht vorgeworfen, ihnen zugehörige Texte in seine Habilitationsschrift übernommen zu haben“.

Der Habilitationsausschuss hat den Kommissionsbericht des Rektorats am 28. Juni zunächst zur Kenntnis genommen und prüft nun die Argumente und Einwände. Wie lange sich diese Prüfung hinzieht, ist nicht absehbar. Unabhängig davon hat das Rektorat ein Disziplinarverfahren gegen Dickhuth vorbereitet. Auch dazu werden keine Einzelheiten genannt.

Normalerweise zielen solche Verfahren auf eine Aberkennung des Professorenstatus und eine Suspendierung vom Dienst. Dies zu entscheiden wäre Sache des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums. Ein Sprecher des von Teresia Bauer (Grüne) geleiteten Hauses hat auf Anfrage geantwortet, seine Dienstherrin dürfe zu einem solchen Vorgang grundsätzlich „aus personaldatenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft geben“.

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