Prognosen mit Daten: Willst du deine Zukunft kennen?

Die Polizei trifft den Einbrecher, bevor er einbrechen kann. Das klingt nach Science Fiction. Wird aber Realität. Wollen wir das?

Was passiert jetzt? Weiß das Smartphone schon Bescheid? Bild: dpa

Es ist einer dieser Momente, in denen man wieder einmal merken kann, wie viel längst errechnet und antizipiert wird, ohne dass man sich allzu viele Gedanken darüber macht. „14 Minuten bis nach Hause“, meldet die Google-Anwendung aufs iPhone. Ungefragt. Und dass auf den Hauptstraßen normaler Verkehr sei. Google Now, ein Dienst für Smartphones und Tablets, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem umfangreichen Analyse-Portfolio des Internetkonzerns.

Google nimmt an Daten, was es kriegen kann, um immer noch genauer zu wissen, was wir wohl bald tun werden. Möglichst unauffällig fragt Google Now dann etwa nach: „Diesen Ort als 'Zuhause' festlegen?“.

Hier ruht das Handy nachts, auf dem Schreibtisch im Büro tagsüber. Man muss kein besonders intelligenter Rechner sein, um daraus naheliegende Schlüsse zu ziehen. Google Now kann nützlich sein. Es erinnert schließlich auch daran, dass es jetzt Zeit wäre, in Richtung Flughafen aufzubrechen. Oder dass man sich Zeit lassen kann, weil der Flieger ohnehin verspätet ist.

Die private und staatliche Prognoseindustrie fügt Informationsschnipsel zu einem Bild unserer Zukunft zusammen, um diese Zukunft beeinflussen zu können. Diese permanente Vorhersagerei wird gerade zu einer Normalität, die bei Menschen beginnt, die die entsprechenden Techniken am intensivsten Nutzen. Etwa: Google Now.

Jeder Winkel erfasst

In ihren neuen Daten-Thrillern „Drohnenland“ und „Zero“ beschreiben die Beststeller-Autoren Tom Hillenbrand und Marc Elsberg eine Welt, in der die ständige Vorhersage das Leben prägt. Elsberg denkt sich dafür den Konzern FreeMe aus, eine Art Facebook mit Gesundheitsdienst und integrierter Alltagshilfe, das nicht nur Lebenslinien vorhersehen will, sondern sie auch prägen – zum Besseren, Gesünderen, Erfolgreicheren. In Hillenbrands „Drohnenland“ stellen Polizeicomputer Führungszeugnisse für die Zukunft aus, während Drohnen fast jeden Winkel der Welt erfassen.

Die taz.am wochenende hat die beiden Autoren für ihre Ausgabe vom 2./3. August zum Science-Fiction-Gipfel geladen. Im Gespräch wurde schnell klar, wie sehr vieles, was nach Zukunft klingt, längst Realität ist. „Mein Buch "Zero" ist keine Science-Fiction, im Wesentlichen ist das Gegenwart“,sagt Elsberg fest.

Angenommen man weiß, jemand wird mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit einen Mord begehen. Was macht man da? Ihn mit einer Drohne überwachen? Ein Gespräch mit den Science-Fiction-Autoren Marc Elsberg und Tom Hillenbrand über eine Zukunft, die wir immer besser kennen, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 2./3. August 2014. Außerdem: Hoyerswerda hat wieder ein Asylbewerberheim. Kann die Stadt ihre Vergangenheit überwinden? Und: Helmut Höge über Waschbären. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Mit Daten kann man die Verbreitung einer Grippe vorhersagen, man kann Finanzkrisen heraufziehen sehen oder prognostizieren, wo sich das nächste Verbrechen in einer Stadt ereignen dürfte. In den USA setzt die Polizei solche Analyse-Programme in etlichen Städten ein. Im überwachungsskeptischeren Deutschland plant nun Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland, Einbrüche dank Datenanalyse vorherzusehen. Auch das BKA informiert sich laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkpartei für solche Techniken.

Wie im „Minority Report“

PredPol heißt einer der Anbieter solcher Software in den USA. Waffengewalt, Einbrüche und Autodiebstähle ließen sich mit dem Analysetool verhindern, wirbt die Firma auf ihrer Homepage. Dazu Erfolgsgeschichten aus unterschiedlichen Städten: Um 13 Prozent sei die Kriminalitätsrate innerhalb weniger Monate in bestimmten Bezirken von Los Angeles gefallen.

Man denke bei so was automatisch an den Film „Minority Report“, sagt der Statistiker Richard Berk, der dazu forscht. In der Hollywood-Science-Fiction ahnen sogenannte PreCogs bevorstehende Taten. Irgendwann, da ist Berk sicher, wird das auch in der Realität möglich sein. Er beschäftigt sich damit, vorherzusagen wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Häftling rückfällig wird. Dafür werden Profile angelegt. Im Gegensatz zur häufig noch pauschalen Vorhersage von Einbrüchen, geht es um Einzelne – und um Grundrechte. Berk versucht auch, mit Statistiken herauszufinden, welche Familien, die Jugendämtern bekannt sind, am wahrscheinlichsten ihre Kinder missbrauchen werden.

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Die Frage ist dann: Wie viel darf ein Staat, ein Unternehmen, über die Zukunft eines Menschen wissen? Und wie verhindert man, dass die Vorhersage ein Leben verändert? Der Verdacht?

In Hillenbrands „Drohnenland“ flieht der Kommissar irgendwann vor einem Polizeiapparat, der sich gegen ihn gewendet hat. Er hat seine Datenbrille weggeworfen, seinen Chip herausgerissen, so hart gegen die Wand getreten, dass er humpelt und seine Bewegungen nicht mehr erkennbar sind, nun will er in einem heruntergekommenen, halbwegs überwachungsfreien Viertel etwas zu Essen besorgen. Bis ihm plötzlich wieder einfällt, wie seine Kollegen arbeiten. Sie werden analysieren, wie er sich in der Vergangenheit bewegt hat, was er getan hat, wo er essen war. Sie werden wissen, dass er genau hierher kommen könnte. Wie kann er jetzt noch unberechenbar bleiben? Eine Münze werfen?

Wenn wir dank RegenRadar nicht mehr nass werden

Wollen wir diese Welt, in der jeder künftige Schritt schon von einem Unternehmen, von einem Staat, von einem Polizisten oder einem Softwareentwickler geahnt werden kann? Wenn sie weniger Einbrüche bedeutet. Wenn wir den Flug dann immer kriegen. Wenn wir dank RegenRadar nicht mehr nass werden. Wenn unser Arzt schon weiß, dass wir krank werden, bevor wir es sind, weil unser Smartphone auffällige Bewegungsmuster meldet.

Welche dieser Technologien wollen wir, welche nicht, wo überwiegt der Schaden, wo der Nutzen?

Wir müssten überhaupt erst einmal anfangen, über all diese Fragen zu diskutieren, sagt Marc Elsberg. Bisher geschehe das viel zu wenig, weil die einzelnen Techniken vielen zu kompliziert erscheinen, zu wenig nachvollziehbar.

Könnten wir so eine Welt überhaupt noch verhindern? Hat nicht Edward Snowden gezeigt, wie verloren alles ist, wie totalrundumüberwacht?

Die Technologie könnte uns helfen, glaubt Tom Hillenbrand. „Der Kommissar in "Drohnenland" besitzt einen Privatizer, ein Gerät, das so viel Stördaten erzeugt, dass es ihn eine Zeit unsichtbar macht. So könnte man sich eine Software vorstellen, die in meinem Namen sinnlos Webseiten besucht oder behauptet, bei Amazon in meinem Namen hundert Paar Strapse bestellt zu haben. Die also wieder dafür sorgt, dass mein Datensatz geschrottet wird, diffuser, unsauberer wird. Solche Strategien gibt es schon. Es ist ein technologisches Wettrennen.“

Müssen wir uns diesem Wettrennen stellen, um zu verhindern, dass Unternehmen und Staaten uns den Zufall nehmen?

Diskutieren Sie mit!

Das Gespräch mit Tom Hillenbrand und Marc Elsberg lesen Sie in der taz.am wochenende vom 2./3. August 2014.

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