Propaganda mit Fotos: Wenn Luftbilder zu Kriegen führen

Mit falschen Satellitenaufnahmen beschuldigt Russland die USA der Zusammenarbeit mit dem IS. Die Geschichte zeigt: Das ist gefährlich.

Mit Satellitenbildern warb Collin Powell für den Irakkrieg Foto: imago/Zuma Press

Peinlich, Peinlich. Eigentlich hatte das russische Verteidigungsministerium einen Coup landen wollen, als es am Dienstag über die sozialen Netzwerke Beweise für eine Zusammenarbeit der USA mit der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ vorlegte. Luftaufnahmen sollten belegen, dass „die USA IS-Kampfeinheiten Schutz bieten“. Auf der schwarzweißen Aufnahme sind mehrere militärische Fahrzeuge zu sehen.

Nicht nur Joschka Fischer wäre von der unscharfen Luftaufnahme „not convinced“ – auch im Internet trauten die Nutzer den „Beweisen“ nicht über den Weg. Zurecht, wie sich kurze Zeit später herausstellte. Die Aufnahme stammt nämlich nicht von einer russischen Drohne, sondern aus dem Indie-Computerspiel „AC-130 Gunship Simulator: Special Ops Squadron“, wie mehrere Internetnutzer schnell feststellten.

Nach einigen Stunden löschte das Verteidigungsministerium die Bilder und sprach von einem „Fehler“ eines externen Mitarbeiters, ohne die genaue Natur des Fehlers weiter auszuführen. Daher bleibt nur die Spekulation.

Womöglich bewahrt der externe Mitarbeiter ja Beweismittel in der gleichen Schublade auf, wie Screenshots von seinen Lieblingscomputerspielen. Da kommt man schon mal durcheinander. Vielleicht postet das Ministerium ja künftig auch Bilder aus dem gewalttätigen Computerspiel Grand Theft Auto, um auf die zunehmende Kriminalität in US-amerikanischen Großstädten hinzuweisen.

Dramatische Folgen bis heute

Doch selbst ohne Bildmanipulation sind schlecht ausgeleuchtete, unscharfe Luft- und Satellitenaufnahmen ein Klassiker der Kriegspropaganda. Im Februar 2003 warb US-Außenminister Collin Powell mit einer Power-Point-artigen Präsentation vor dem UN-Sicherheitsrat für den lange geplanten Irakkrieg. Dazu gab es natürlich auch Satellitenaufnahmen, die beweisen sollten, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfüge, den Bau von Atomwaffen plane und mit der Terrororganisation Al-Qaida zusammenarbeite.

Im März marschierten US-Truppen in den Irak ein, der Dritte Golfkrieg kostete mindestens 100.000 Menschen das Leben. Später stellte sich heraus, dass der Irak nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, nicht den Bau von Atomwaffen plante und nicht mit Al-Qaida zusammengearbeitet hatte. Unter den Folgen des völkerrechtswidrigen Kriegs leidet das Land bis heute.

Und dann war da ja noch Rudolf Scharping. Der SPD-Politiker führte Deutschland unter der von Gerhard Schröder geführten rot-grünen Bewegung 1999 in den Kosovo-Krieg. Scharping begründete den Einsatz mit der Behauptung, Serbien plane die Vertreibung der Kosovoalbaner.

Als Beweis für den so genannten Hufeisenplan zeigte Scharping im April 1999 in einer vielbeachteten Pressekonferenz Bilder eines Massakers von Serben an Albanern im kosovarischen Rogovo. Im Mai reichte das Verteidigungsministerium noch obligatorische Luftaufnahmen nach, die von serbischen Kräften zerstörte albanische Dörfer zeigen sollten.

Eine Handvoll unscharfer Fotos

Schon Ende März 1999 hatte die Nato ohne UN-Mandat mit der Bombardierung Serbiens begonnen. Auch die Luftwaffe beteiligte sich an den Angriffen – es war der erste Kampfeinsatz seit Gründung der Bundeswehr. Durch die Bombardements starben mehrere Hundert serbische Zivilisten. Infolge des Natoeinsatzes eskalierte der Kosovokrieg weiter und kostete geschätzte 10.000 Menschen – Serben und Albaner – das Leben.

Bleibt noch zu erwähnen, dass die veröffentlichten Luftaufnahmen des Verteidigungsministeriums erst nach Beginn der Nato-Intervention entstanden waren. Das „Massaker“ in Rogovo konnte nie ganz aufgeklärt werden. Aber vieles spricht dafür, dass ein Großteil der Ermordeten keine Zivilisten, sondern albanische Kämpfer waren und im Gefecht starben.

Dass eine Handvoll unscharfer Fotos auch im aktuellen Fall zu einem Krieg zwischen den USA und Russland führt, ist aber ausgeschlossen. Das liegt jedoch nicht an der Beweiskraft der Satellitenaufnahmen, sondern an der Ebenbürtigkeit der potenziellen Gegner.

Während der Kubakrise 1962 verfügten die USA über Luftbilder, die bewiesen, dass Russland Raketen nach Kuba – in Reichweite der USA – verlegte. Auf einen Angriff ließ sich aber keine der beiden Supermächte ein. Denn im Gegensatz zu Serbien und Irak wäre das ein Krieg gewesen, den man auch hätte verlieren können.

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