Protest gegen Rettung der Ems: Landwirte auf den Barrikaden

Um die Ems zu retten, haben Politiker, Meyer Werft und Naturschutzverbände den Masterplan 2050 geschmiedet. Die Bauern fühlen sich übergangen.

Wurde mit solchen Saugbaggern schon mehrfach vertieft: die Ems Bild: dpa

LEER taz | Almut Kottwitz, die Staatssekretärin des niedersächsischen Umweltministeriums, konnte ihren Vortrag nicht zu Ende bringen. 500 Landwirte waren aus den Landkreisen Leer, Emsland und Aurich gekommen, um gegen ihr Vorhaben zu protestieren: „Der Masterplan ist ein Desasterplan“, skandierten sie, als Kottwitz am Freitagabend der Plan zur Rettung der Ems in Leer präsentieren wollte.

Das Umweltministerium steht vor einem Dilemma: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir uns den Vertragsverletzungsverfahren der EU unterwerfen und hohe Strafen akzeptieren oder die Region wirtschaftlich ruinieren, indem wir die Papenburger Meyer Werft daran hindern, ihre großen Schiffe durch die Ems zu bringen“, erklärt Kottwitz.

Auch die Landwirtschaft sei mit einer Nutzung von fast 72 Prozent der gesamten Fläche des Kreises Leer ein Wirtschaftsfaktor, konterten die Bauern. „Es gibt an der Ems keine Flächen mehr, die aus der landwirtschaftlichen Produktion herausgenommen werden können“, sagt der Leeraner Kreislandwirt Justus Ackermann.

Er betont, dass für die Rettungsmaßnahmen an der Ems bis 2050 laut Masterplan offiziell 700 Hektar Land benötigt werden. Diese Zahl sei jedoch rein spekulativ. „Aber selbst wenn sie stimmte, wir können diese Flächen nicht abgeben, ohne dass Höfe dicht machen müssen“, so Ackermann.

Ein anderer Bauer ging noch einen Schritt weiter: Man wisse nicht einmal, ob mit den Maßnahmen des Masterplans die Ems gerettet werden könne oder nicht. „Sie können uns keine klare Kalkulation der Kosten nennen“, sagt er.

Almut Kottwitz musste ihm recht geben: „Wir haben bis 2018 rund 22 Millionen Euro in den Haushalt gestellt, um mit dem Bau von Überflutungspoldern zu beginnen.“ Erst dann könne man entscheiden, ob es weitere Polder geben werde. Alle anderen Maßnahmen müssten durch weitere Machbarkeitsstudien erforscht werden, bevor man darüber entscheiden könne, was das alles kostet und was man umsetzen könne, räumte sie ein.

Bauernführer Ackermann ist mit diesem Masterplan alles andere als einverstanden: „Wir sollen also jetzt unser Okay geben und die Katze im Sack kaufen?“

In der Vergangenheit hatte die Landesregierung die Meyer Werft unterstützt, wenn sie ihre immer gigantischer werdenden Kreuzfahrtschiffe durch die viel zu kleine Ems an die Nordsee überführte.

Dafür baggerte sie regelmäßig für Millionenbeträge die Ems aus und erzeugte dadurch weitere Probleme: Der viele Schlick belastet den Fluss, zu hohe Wassergeschwindigkeiten gefährden die Deichsicherheit. „Die Ems ist heute tot“, sagt selbst Staatssekretärin Almut Kottwitz.

Jahrelang hatten sich Naturschützer gegen die Zerstörung des Gewässers gewehrt und zahlreiche Klagen eingereicht. Ihre zentrale Forderung war: Meyer sollte seine Hauptproduktion nach Emden verlegen. Der Standort war bereits ausgewiesen, aber Meyer weigerte sich und wollte nicht umziehen.

Später schlossen sich Umweltverbände in geheimen Verträgen mit der Meyer Werft zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Diese brachte schließlich den Masterplan 2050 hervor, worin WWF, BUND und Nabu der Meyer Werft den Standort in Papenburg garantieren und auf weitere Klagen verzichten.

Im Gegenzug versprach Meyer, sich auf die Naturschutzverbände zuzubewegen und seine Schiffe „schonend“ über die Ems zu bringen. Auch die Landesregierung segnete das Projekt ab. Nur die Stadt Emden muss dem Vertrag Anfang März noch zustimmen. Und auch die Unterschrift des Landkreises Leer steht noch aus.

Von dem Plan sind nicht alle begeistert. „Solange Meyer in Papenburg bleibt, kann die Ems nicht gerettet werden“, bemängelt ein Naturschützer. Der Zusammenschluss von Meyer und Verbänden habe die Politik erpressbar gemacht.

Inzwischen setzte auch die EU die Bundes und Landesregierung mit einem Vertragsverletzungsverfahren unter Druck. Laut niedersächsischem Umweltministerium verstößt das Land gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie, den europäischen Vogelschutz und die Ausweisung von Fauna-Flora-Habitat-Gebieten.

Mit dem Masterplan wollen die Befürworter nun mit einem Schlag alle Probleme lösen: Die Verschlickung soll durch gezielte Steuerung des Emssperrwerkes reduziert werden. Am Sperrwerk soll eine Sohlschwelle eingebaut werden. Neben der Ems ist ein Überflutungsbecken vorgesehen.

Ob das alles die Landwirte noch überzeugen wird? Der Leeraner Landrat Bramlage zumindest bedauert, dass beim Masterplan neben den Landkreisen Leer und Emsland, die Stadt Emden, die Landesregierung, die drei Umweltverbände und die Meyer Werft mit je einer Stimme vertreten sind, und so auch demokratisch gewählte Gremien aushebelten.

„Der Masterplan ist faktisch nicht kündbar“, sagt er. „Damit greifen nicht demokratisch gewählte Institutionen und die Werft auf in die Planungshoheit der Landkreise und des Landes ein.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.