Protest gegen Vorratsdatenspeicherung: Verfassungsbeschwerde kommt

Der Bundesrat hat die Vorratsdatenspeicherung durchgewunken. Nun gehen die Kritiker gerichtlich dagegen vor – und setzen auf Karlsruhe.

Zwei Puppengesichter spiegeln sich in einem Fernrohr.

Demonstration vor dem Bundestag mit Masken von Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Foto: dpa

BERLIN/KARLSRUHE dpa | Nach Zustimmung auch des Bundesrates zur Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung schalten die Gegner nun die Gerichte ein. Die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner sowie neun Berliner Abgeordnete beantragten am Freitag zusammen mit Journalistenverbänden sowie einer Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um das Gesetz zu stoppen.

Sie hätten den Antrag als betroffene Berufsgeheimnisträger gestellt, teilten die Anwälte Carl Christian Müller und Sören Rößner mit. Mit einem Erlass einer einstweiligen Anordnung solle erreicht werden, dass die Speicherpflicht der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird. Die Verfassungsbeschwerde werde noch eingereicht.

Das Gesetz sieht vor, dass Telekommunikationsdaten künftig für zehn Wochen aufbewahrt werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können.

Für den Antrag der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung, den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag anzurufen, gab es in der Länderkammer keine Mehrheit. Aus Sicht Thüringens ist die verdachtsunabhängige Speicherung von Kommunikationsdaten mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht vereinbar.

„Mit Freiheitsrechten nicht vereinbar“

Linke, Grüne, Piratenpartei, FDP und Netzaktivisten halten das Vorhaben für verfassungswidrig und unverhältnismäßig. Mehrere Politiker und Initiativen hatten bereits in der Vergangenheit angekündigt, gegen das Gesetz zu klagen.

Die Piratenpartei wollte nach eigener Aussage bei einem Scheitern eines Vermittlungsverfahren zunächst an den Bundespräsidenten appellieren, die Unterschrift unter das Gesetz zu verweigern.

Der „Generalverdacht“ für alle Bürger sei „mit den Freiheitsrechten in unserem Land nicht vereinbar“, erklärten die Berliner Abgeordneten Ramona Pop, Benedikt Lux, Dirk Behrendt, Stefan Gelbhaar, Canam Bayram (alle Grüne), Sven Kohlmeier, Joschka Langenbrinck (beide SPD), Martin Delius und Simon Weiß (beide Piraten). Sie beriefen sich darauf, dass sie wie Ärzte, Anwälte, Journalisten und Geistliche „Berufsgeheimnisträger“ seien. Die Verfassung sehe vor, dass sie Angaben über Personen, die ihnen Mitteilungen machten, verweigern dürften.

Neuer Strafbestand eingeführt

Nach dem Gesetz sollen Telekommunikationsanbieter die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig zweieinhalb Monate aufbewahren. Standortdaten bei Handy-Gesprächen sollen vier Wochen gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr nicht. Die Behörden dürfen die Daten nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen – etwa bei der Bildung terroristischer Gruppen, Mord oder sexuellem Missbrauch. Den Abruf der Informationen muss ein Richter erlauben.

Um gespeicherte Daten vor Ausspähung zu schützen, wird der Straftatbestand der Datenhehlerei eingeführt. Danach ist es strafbar, Daten entgegenzunehmen, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat – beispielsweise einen Hackerangriff – erlangt hat. Journalistische Arbeit wird vom Straftatbestand nicht erfasst.

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