Protest gegen modernen Sklavenhandel: „300 Euro! Wer bietet mehr?“

Mit einem symbolischen Sklavenmarkt protestieren Initiativen in sieben Städten Deutschlands gegen Zwangsarbeit.

Sklavenhandel ist keineswegs nur Vergangenheit: Protestaktion am Freitag am Brandenburger Tor Foto: promo

„300 Euro, wer bietet mehr?“, ruft die Frau. Sie steht auf einer kleinen Kiste vor dem Brandenburger Tor. Was anmutet wie eine Versteigerung von teuren Antiquitäten an einem ungewöhnlichen Ort, soll in Wirklichkeit Sklavenhandel darstellen. Die Gebote gelten Menschen, die angekettet, mit gesenktem Kopf, zwischen einem Käfig aus Gartenzäunen stehen. „Ich biete 350!“ ruft ein in schwarz gekleideter Mann mit goldener Maske. Da niemand sonst mitbietet, erhält er den Zuschlag, betritt die Zelle und darf seinen persönlichen Sklaven abholen.

Mit dieser Aktion macht die Initiative Gemeinsam für Afrika auf das Thema moderne Sklaverei aufmerksam. In sieben Städten Deutschlands, darunter Köln, Leipzig, Stuttgart, München, Bochum, Frankfurt am Main und Berlin, werden gleichzeitig solche Sklavenmärkte abgehalten. Gemeinsam für Afrika ist ein Bündnis aus 20 Hilfsorganisationen, das sich vor allem für bessere Lebensbedingungen in dem Kontinent einsetzt.

Als moderne Sklaven werden Menschen bezeichnet, die unter entwürdigen Umständen arbeiten und leben müssen. Auch Zwangsprostituierte und Kindersoldat*innen zählen zu den weltweit etwa 40 Millionen Menschen, die Opfer moderner Sklaverei sind. Davon betroffen sind oft auch Flüchtlinge oder Papierlose, da sie sich in extremen Notsituationen befinden.

Warum ist die Rede von Sklaven*innen? Ist das Problem nicht schlicht Ausbeutung? „Der Begriff moderne Sklaverei ist tatsächlich irritierend“, erklärt Susanne Anger, Sprecherin von Gemeinsam für Afrika. Der Definition nach sind Menschen moderne Sklaven*innen, wenn sie ohne rechtlichen Schutz beschäftigt sind und etwa ein Drittel des niedrigsten Lohns in dem Land erhalten, in dem sie arbeiten. „Der Begriff moderne Sklaverei suggeriert, dass es eine bessere Sklaverei ist. Tatsächlich ist sie perfider, weil die Ketten der Sklaven unsichtbar geworden sind“, so Anger.

Mit der Demonstration rückt die Kampagne vor allem die Situation von weltweit 21 Millionen Zwangsarbeitern ins Blickfeld. Sie sind die größte Gruppe unter den Opfern moderner Sklaverei. Das Problem betrifft auch Deutschland. „In Schlachthöfen in Niedersachsen arbeiten vor allem Osteuropäer für einen Bruchteil des Mindestlohns und unter menschenunwürdigen Bedingungen“, erklärt Anger. „Unternehmen verweisen auf ihre Subunternehmen und stehlen sich damit aus der Verantwortung.“

Die Initiative will auch bei Verbrauchern das Bewusstsein für die Umstände schärfen, unter denen viele Konsumgüter entstehen. Denn viele Produkte und Nahrungsmittel des täglichen Gebrauchs werden unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Hinter günstigen Lebensmitteln verbergen sich oft Ausbeutung und unreguläre Beschäftigungsverhältnisse. Zu den betroffenen Produkten zählen etwa Schnittblumen aus Kenia, Fleisch aus Deutschland oder Obst und Gemüse aus Südeuropa.

Vor allem in Südeuropa ist in den letzten Jahren ein großer Anstieg bei den Zwangsarbeitern zu verzeichnen. Im Zuge der Flüchtlingsentwicklung ist für viele Menschen die Arbeit auf Feldern unter menschenunwürdigen Bedingungen zum Alltag geworden. Denn sie haben meist keine Aussichten auf reguläre Beschäftigung.

Sklavenmarkt in den USA 1860

Sklavenmarkt in den USA, ca. 1860 Foto: dpa

Vor allem in Südeuropa ist in den letzten Jahren ein großer Anstieg bei den Zwangsarbeitern zu verzeichnen.

„Auch wenn man als einzelner Verbraucher nicht viel bewirken kann, wäre es ein erster Schritt, Produkte mit Fair Trade-Siegel zu kaufen“, rät Anger. „Wir fordern von der Politik, dass sie kontrolliert, dass Gesetze eingehalten werden und Unternehmen für das Handeln ihrer Subunternehmen zur Rechenschaft zieht.“

Auf der Seite slaveryfootprint.org besteht die Möglichkeit, mit Hilfe von Fragen nach Konsumgewohnheiten errechnen zu lassen, wie viele Sklaven*innen für einen bestimmten Lebensstil arbeiten müssen. Durchschnittlich sind es laut der Website 60.

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