Protest in München: Tausende gegen SiKo und Pegida

Demonstranten skandieren gegen die „Machteliten im Bayerischen Hof“ und wehren sich gegen ungewollte Mitstreiter.

Mann mit Gruselmaske hinter einem Zaun, hält ein Plakat hoch.

Die Halloween-Maske für den Protest hervorgeholt: Teilnehmer bei der Demo gegen die SiKo in München Foto: Pascal Beucker

MÜNCHEN taz | Claus Schreer wirkt etwas gebrechlich. Aber seine Stimme klingt nach wie vor entschlossen. „Die SiKo ist vor allem ein Propagandaforum“, verkündet der 77-Jährige am Samstag Mittag von der kleinen Bühne auf dem Stachus in der Münchner Innenstadt. Den „Machteliten, die jetzt im Bayerischen Hof tagen“, müsse „massenhafter Widerstand“ entgegengesetzt werden. Sie seien RepräsentantInnen „eines Systems, das im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht“.

Schreer ist der Sprecher des „Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz“. Der gelernte Grafiker ist einer, auf den der abgedroschene Begriff des Urgesteins immer noch ganz gut passt. Mit seiner Kriegsdienstverweigerung Ende der Fünfzigerjahre fing alles an. Beim ersten Münchner Ostermarsch 1961 war er dabei, beim Kampf gegen die Pershingraketen in den Achtzigern und den Protesten gegen den Jugoslawien- und den Irakkrieg selbstverständlich auch. Seit 2002 organisiert er die Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz.

„Wir haben die Kriegslügen und Kriegspropaganda satt“, ruft Schreer. Die Menschen auf dem Platz applaudieren. Mehrere Tausend sind es, die in diesem Jahr gegen die SiKo demonstrieren. Die Polizei spricht von knapp 3.000 TeilnehmerInnen, was etwas zu niedrig geschätzt sein dürfte. Die VeranstalterInnen sprechen von 4.000. Auf jeden Fall sind es weniger als beim letzten Mal.

Und dann sind da auch noch einige darunter, die die OrganisatorInnen aus guten Gründen nicht dabei haben wollen: Pegida-AnhängerInnen haben sich unter die DemonstrantInnen gemischt. Auch die frühere Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel ist da. „Nazi raus“-Rufe erschallen. Über Lautsprecher werden die Rechten für unerwünscht erklärt. „In einer Sache müssen wir an einem Strang ziehen“, fordert der Liedermacher Konstantin Wecker. „Kein Fußbreit mehr den Rassisten und Faschisten, kein Zugeständnis, kein Entgegenkommen aus taktischen Gründen.“

Noch ein Urgestein

Konstantin Wecker, noch so ein Urgestein. „Zeigen wir den Waffenhändlern und Lobbyisten im Bayerischen Hof deutlich, laut und unmissverständlich, dass sie nicht in unserem Namen handeln“, fordert der 68-Jährige die DemonstrantInnen auf. „Die Politiker belächeln uns, das wissen wir“, sagt Wecker nach seiner Rede. Als bekennender Pazifist sei er demgegenüber der festen Überzeugung, dass man „irgendwann mit dem Pazifismus beginnen“ müsse. Die SiKo habe er hingegen „schon immer für eine Kriegskonferenz“ gehalten.

Konstantin Wecker vor Plakaten der DemonstrantInnen.

Unter den DemonstrantInnen: Konstantin Wecker Foto: Pascal Beucker

Eine pazifistische Veranstaltung war die SiKo in der Tat noch nie. Seit 1963 gibt es die Münchner Tagung, die sich damals noch „Internationale Wehrkunde-Begegnung“ nannte. Unumstritten war sie nie. Als halb offizielles Forum für geopolitische Großerzähler und Rüstungslobbyisten zieht sie aus gutem Grund Kritik auf sich. Auch in diesem Jahr nehmen neben den fast 100 führenden Regierungsvertretern aus aller Welt, die das mediale Bild der Konferenz bestimmen, wieder zahlreiche hochrangige Militärs und hochkarätige Konzernmanager an der Tagung teil. Ein lohnendes Zusammentreffen: Für die Rüstungsindustrie ist die Sicherheitskonferenz stets ein guter Ort zur Geschäftsanbahnung. So gehören Waffenschmieden wie Krauss-Maffei Wegmann, MBDA oder Lockheed Martin traditionell zu den Sponsoren.

Unter den DemonstrantInnen, die vom Stachus zum Marienplatz ziehen, sind auch Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Anders als die Grünen, die lange Jahre ebenfalls den Großevent scharf kritisiert hatten, hat die Linkspartei bis heute nicht ihren Frieden mit der SiKo gemacht. Zwar nehmen seit einiger Zeit auch mehrere Mitglieder ihrer Bundestagsfraktion an der Konferenz teil. Gleichzeitig gehört die bayrische Linkspartei weiterhin zu den UnterstützerInnen der Gegendemonstration.

Das Ministerium zahlt

Obwohl sich die SiKo selbst als „unabhängig“ bezeichnet, wird tatsächlich ein Großteil der Kosten von der Bundesregierung getragen. Aus einem vom Verteidigungsministerium bereitgestellten Etat für „sicherheitspolitische Öffentlichkeitsarbeit“ sponsert das Presse- und Informationsamt die Veranstaltung mit 500.000 Euro, was etwa 30 Prozent der Gesamtkosten entsprechen soll. Hinzu kommen noch personelle Unterstützungsleistungen der Bundeswehr. Wie aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, sind rund 240 Bundeswehrangehörige helfend im Einsatz sein – von der Transportorganisation bis zu Dolmetschleistungen.

„Das Projekt, um das es bei der SiKo geht, ist aus meiner Sicht in keiner Weise förderungswürdig“, sagt die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. Denn es bestehe darin, „dass die mächtigsten Staaten gemeinsam mit Großkonzernen darüber beraten, wie sie die Welt weiterhin unter sich aufteilen“. Es gehe um „die Vorbereitung neuer Kriege“ und „nicht darum, endlich eine soziale und friedliche Politik einzuschlagen“. Dafür dürften keine Steuergelder verschleudert werden.

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