Proteste gegen Präsident Trump: „Putsch ohne Panzer“

US-Bürgerrechtler und andere Gegner Trumps haben begonnen, vielfältigen Widerstand zu organisieren. Für sie ist er kein legitimer Präsident.

Menschen liegen in dem Eingangsbereich eines Hotels

Keine Lust auf Präsident Trump: Demo im Eingang vom Trump-Hotel Foto: ap

WASHINGTON taz | Beide Seiten haben es eilig: Während die Republikaner sich anschicken, Barack Obamas Gesundheitsreform („Obamacare“) und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch so schnell wie möglich abzuschaffen, sammeln die Linken ihre Kräfte.

Quer durch die USA kommen Frauen und Männer in Wohnzimmern und Kneipen, in Kirchen und in Synagogen zusammen und reden über Möglichkeiten des Widerstands gegen Trump. Täglich finden Trainings für die kommenden Jahre statt: Dort geht es zum Beispiel darum, mit improvisierten Gebeten auf der Straße „heilige Räume“ rund um AbschiebekandidatInnen zu schaffen oder Gerichtsverfahren anzustoßen.

Am Freitag und direkt danach finden an hunderten Orten im Land Demonstrationen unter dem Slogan #NotMyPresident statt. Einige Oppositionelle – darunter der Filmemacher Michael Moore und der Bürgerrechtler und demokratische Kongressabgeordnete John Lewis – gehen weiter. Sie nennen den 45. Präsidenten: „nicht legitim“.

Und was tut die Frau, die am 8. November 65 Millionen Wählerstimmen (2,8 Millionen mehr als Trump) erhalten hat? Sie schweigt. Hillary Clinton ist auf Tauchstation gegangen. Aufrufe, wie den des linken Journalisten und Exsprechers des Weißen Hauses, Bill Moyers, sie möge ihre politischen Fehler eingestehen und dann eine „Schattenregierung“ bilden, um jeden Schritt von Trump mit Alternativen zu konterkarieren, hat sie nicht einmal beantwortet. Bislang hat sie auch keine Verantwortung für ihre Niederlage eingestanden.

Stattdessen weisen ihre MitarbeiterInnen mit dem Finger auf andere, insbesondere auf Russland und das FBI. Während immer mehr demokratische Kongressabgeordnete erklären, dass sie Trumps Inthronisierung boykottieren wollen, haben die Clintons angekündigt, sie würden den offiziellen Zeremonien beiwohnen. Als handele es sich dabei um „business as usual“.

Bernie Sanders übernimmt

So ist nicht sie, sondern ihr demokratischer Rivale im Vorwahlkampf zur wichtigsten öffentlichen Stimme der Partei geworden: Bernie Sanders. Der hat zwar seine Parteimitgliedschaft längst wieder abgegeben und ist als „unabhängiger“ Senator in den Kongress zurückgekehrt. Aber er hat ein offizielles Mandat der Demokratischen Parteispitze bekommen und ist jetzt der Mann für den „Outreach“.

Sanders soll die Opposition gegen Trump nach außen vertreten und sie vor allem in Kreise hinein verbreitern, zu denen Clinton keinen Zugang hat. Der 74-Jährige ist dabei insbesondere bei jungen Leuten so erfolgreich wie vor der Wahl, als er Sportstadien füllte und 23 Bundesstaaten gewann.

Am Wochenende vor Trumps Amtseinführung haben Sanders und die nach den Wahlen von seinen AnhängerInnen gegründete neue Organisation „Our Revolution“ es sogar geschafft, demokratische Kongressabgeordnete zu Dutzenden auf die Straße zu locken, um für den Beibehalt von „Obamacare“ zu demonstrieren.

Es gehört zu den Ergebnissen der Präsidentschaftswahl, dass jetzt demokratische Kongressabgeordnete und Linke gemeinsam demonstrieren. Zugleich allerdings haben 13 demokratische Abgeordnete vergangene Woche im Kongress gegen eine Initiative von Sanders gestimmt, die die absurd hohen Medikamentenkosten in den USA durch Importe aus Kanada senken sollte. Alle 13 haben hohe Zuwendungen von der Pharmaindustrie bekommen.

„Mandat für progressive Politik“

Manche in der Linken nennen das, was sich jetzt in Washington abspielt, einen „Putsch ohne Panzer“ und ziehen gar Parallelen zum Entstehen des Nationalsozialismus. Der Entertainer Harry Belafonte spricht von einem kommenden „Vierten Reich“. Und der Linguist Noam Chomsky zieht einen großen Bogen vom Spanischen Bürgerkrieg zu der aktuellen Situation in den USA und sieht – klimapolitisch – eine „Bedrohung für die menschliche Gattung“.

Sanders bleibt optimistisch. Er glaubt, dass „immer mehr in der Demokratischen Partei verstehen, dass sie nicht nur Spenden bei wohlhabenden Leuten eintreiben, sondern auch in die reale Welt gehen müssen“. Und er ist überzeugt, dass die Mehrheit seiner Landsleute höhere Mindestlöhne, gleiche Löhne für Frauen und eine Krankenversicherung für alle haben wollen.

Trotz der absoluten Mehrheiten der Republikaner quer durch die Institutionen – sie kontrollieren das Repräsentantenhaus, den Senat, zwei Drittel der Bundesstaaten und bald auch das oberste Gericht – erinnert Sanders trotzig an die beinahe drei Millionen mehr Wählerstimmen, die Hillary Clinton erhalten hat: „Wir haben das Mandat für eine progressive Politik.“

Neben Sanders bemüht sich die Senatorin Elizabeth Warren, die linken Stimmen zu bündeln. Bei einer Kongressanhörung über Trumps angehenden Arbeitsminister Andrew Puzder, der die beiden Fast-Food-Ketten „Hardee’s“ und „Carl’s Jr“ betreibt und berüchtigt ist für seine Niedriglöhne, lud sie auch ehemalige Beschäftigte Puzders ein. Eine von ihnen, Laura McDonald, sagte, sie könne sich „schwer jemanden vorstellen, der unqualifizierter für die Vertretung der Interessen der Beschäftigten ist“.

Doch die größte Anti-Trump-Bewegung findet außerhalb des Kongresses statt. Beschäftigte aus dem Silicon Valley haben in der Erklärung „Nie wieder“ zu Tausenden unterschrieben, dass sie den Behörden nicht dabei helfen wollen, Daten zu sammeln, die etwa gegen religiöse Minderheiten oder zur Abschiebung von Einwanderern genutzt werden könnten. Friedensaktivistinnen der Organisation „Code Pink“ waren zur Stelle, als die künftigen Kabinettsmitglieder im Kongress befragt wurden. Andere rufen zum Boykott aller Läden auf, die mit der Trump-Familie Geschäfte machen.

Am stärksten sind die jungen Frauen. Sie haben den Übergang von „Pussy Power“ – der Titel, unter dem sie vor den Wahlen gegen Trump auf die Straße gingen – zum Mainstream geschafft. Ihr „Women’s March“ am Tag nach dem Amtsantritt lädt alle ein, die nicht bereit sind, sich mit Präsident Trump zu arrangieren. Hunderttausende haben sich angekündigt.

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