Proteste in Belarus: Die Prügelorgie geht weiter

Die Polizei geht auch die dritte Nacht in Folge mit äußerster Brutalität gegen Demonstrant*innen vor. Unbeteiligte werden auf ihren Balkonen beschossen.

Ein Polizist un zwei Zivilistinnen stehen sich gegenüber.

Polizisten und Demonstranten stehen sich in Minsk seit der Wahl jeden Tag gegenüber Foto: Sergei Grits/ap

KIEW taz | Die dritte Nacht in Folge sind Be­la­rus­s*in­nen in mehreren Städten des Landes auf die Straße gegangen. Dabei ging die Polizei mit besonderer Brutalität vor. So berichtet der weißrussische Telegram-Kanal Nexta, die Polizei habe in Minsk mit Gummigeschossen gezielt auf Menschen geschossen, die von den Balkonen ihrer Wohnungen die Auseinandersetzungen beobachteten.

Videos von Nexta zeigen Gruppen behelmter Polizisten, die auf am Boden liegende Personen einschlagen. Ein Autofahrer, der aus Solidarität mit den Demonstranten gehupt hatte, wurde von Uniformierten aus seinem Wagen gezerrt und festgenommen.

Besonders angespannt war die Situation vor der Haftanstalt, in der die vorläufig Festgenommenen festgehalten werden. Mehrere hundert Menschen hatten sich dort auf der Suche nach ihren Angehörigen eingefunden. Dabei kam es immer wieder zu Rangeleien mit Polizisten.

Allein in der Nacht zum Mittwoch sollen nach Angaben des Innenministeriums landesweit 1.000 Menschen verhaftet worden sein. Das Gesundheitsministerium berichtet von 51 Verletzten in der Nacht zu Mittwoch. Zehn russische Journalisten seien in Minsk festgenommen und misshandelt worden, berichtet das Nachrichtenportal ­gazeta.ru.

Blut in der U-Bahn

Der Telegram-Kanal Nexta in­ter­viewte eine Reinigungskraft, die eine U-Bahn-Station vom Blut eines Passanten säuberte. „Der Mann war kein Demonstrant“, sagt die Frau. Als die Omon-Polizisten ihn gesehen haben, haben sie ihn zusammengeschlagen und mitgenommen.

Der Mann in der U-Bahn sei nicht der einzige Passant gewesen, den man willkürlich verhaftet habe, berichtet die Frau. „Heute Nacht haben sie meinen Sohn aus dem Auto gezerrt. Einfach so. Er war mit einem Freund unterwegs gewesen. Nun sitzt er für zehn Tage in Haft.“

Inzwischen ist es auch mit der relativen Ruhe in den Provinzstädten vorbei. In Grodno rammte ein Polizeijeep ein Auto. Anschließend brachte man ein fünfjähriges Kind ins Krankenhaus und den Vater in die Zelle.

In Uruchcha am Stadtrand von Minsk drückten Polizisten einem Motorradfahrer eine Pistole an die Schläfe und schlugen ihn. In Saslauje überfielen Polizisten einen Lebensmittelladen und misshandelten zwei Kunden. Anschließend schlugen sie die Einrichtung des Geschäfts kurz und klein, berichtet die Menschenrechtsorganisation Charta 97 unter Berufung auf den Telegram-Kanal Basta. Am Mittwoch protestierten 250 Frauen mit einer Menschenkette vor der Kamarouski-Markthalle im Zentrum von Minsk gegen die Festnahmen.

EU berät über Sanktionen

Unterdessen berichtet der Anwalt des nicht zu den Präsidentschaftswahlen zugelassenen inhaftierten Politikers Viktor Babariko, man habe ihm „aus technischen Gründen“ den Kontakt zu seinem Mandanten verweigert.

Am nächsten Freitag wollen die Außenminister der EU zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen. In Brüssel will man auch darüber beraten, ob neue Sanktionen gegen Belarus verhängt werden sollen.

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Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

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