Proteste in Griechenland: „Das griechische Volk ist am Boden“

Seit Wochen blockieren Landwirte wichtige Straßen im Land. Jetzt protestierten rund 15.000 in Athen gegen die Renten- und Steuerreform.

Im Vordergrund der Ausschnitt eines Armes und einer Hand, die einen Backstein hält, dahinter eine Straße, auf der ein Feuer brennt.

Bei den Protesten der Landwirte geht es zur Sache Foto: dpa

Erst fliegen am Morgen Tomaten, dann sogar Steine auf das Gebäude des Ministeriums für Landwirtschaft im Zentrum Athens. Zahlreiche Bauern – teils in kretischer Tracht mit schwarzer Kopfbedeckung und Kniebundhose – schlagen mit ihren schweren Holzstäben auf die Polizeieinheiten ein, die sich passiv hinter ihren Schildern verschanzen. Die Polizisten haben strikte Anweisung, defensiv zu bleiben. Denn eine Machtdemonstration des Staats im Kampf gegen die Bauern macht sich nicht wirklich gut. Ohnehin ist die Zustimmung zur linken Regierung stark geschrumpft.

„Die linke Regierung hat uns ihre Unterstützung zugesichert!“, ruft ein aufgebrachter Bauer aus Kreta. „Wir haben der Syriza vertraut – doch sie hat uns verraten.“ Man wolle sich das nicht gefallen lassen und würde nun kämpfen! Er habe ein mittelgroßes Landwirtschaftsunternehmen. Nun sei für die Bauern eine Anhebung der Abgaben für die Pensionskasse von 7 auf 20 Prozent geplant.

Zusätzlich solle die Einkommenssteuer für Landwirte von 13 auf 26 Prozent erhöht werden. Ja, große Unternehmen könnten diese Abgaben leisten, aber nicht die kleinen und die mittelgroßen Landwirtschaften. „Ich werde bei so hohen Abgaben pleitegehen“, befürchtet der Mann Mitte 50.

Als Opposition wetterte die Syriza stets kräftig gegen vermeintliche Abgabeerhöhungen in der Landwirtschaft. Jetzt steht die heutige Regierungspartei unter Druck, denn die Reformen sind Bedingung dafür, dass die Euro-Finanzminister mit der griechischen Regierung über weitere Schuldenerleichterungen verhandeln. „Das griechische Volk ist doch jetzt schon am Boden“, ruft ein Bauer aus Korinth. Die Reformen, die gefordert würden, seien nicht tragbar.

Kein Diskussionsbedarf

Bis zum Freitagnachmittag sind alle Blöcke der Landwirte aus ganz Griechenland auf dem zentralen Syntagmaplatz vor dem Parlamentsgebäude eingetroffen. Zahlreiche griechische Fahnen werden geschwungen, Hunderte von Holzstöcken in die Höhe gereckt. Gegen Abend wird ein großes Feuer in der Mitte des Platzes entfacht und die Nationalhymne gesungen. Die Atmosphäre ist kämpferisch, aber gefasst. Einige Landwirte übernachten bis zum Samstag in mitgebrachten Zelten auf dem Syntagmaplatz.

Am Samstag schließt sich die kommunistische Gewerkschaft Pame den Protesten an. „Arbeiter und Farmer sind eine Stimme, eine Faust!“, schallt es in Sprechchören über den Syntagmaplatz.

Die Einkommen­steuer für Landwirte wird von 13 auf 26 Prozent erhöht

Am Rande des Proteste steht Kostas, der seinen vollen Namen nicht nennen möchte. Er arbeite seit Jahrzehnten sehr hart als Freischaffender, so der 60-Jährige. „Die Landwirte wurden immer protegiert“, sagt er. Sie mussten zum Beispiel keine Rentenbeiträge zahlen und erhielten dennoch eine Rente von etwa 350 Euro. Oder Steuerprivilegien von 13 Prozent. Das sei ungerecht. Dennoch: Die geplanten Reformen der linken Regierung seien auch für ihn nicht tragbar. „Eines hat die Syriza geschafft“, sagt er und lacht bitter auf. „Sie hat eigentlich gegnerische Lager der griechischen Bevölkerung vereint – gegen die linke Regierung.“

Gegen Abend treten die unterschiedlichen Blöcke ihre Heimreise an. Ministerpräsident Alexis Tsipras hat Verhandlungen angeboten. Doch die Landwirte lehnen bisher jegliches Diskussionsangebot ab. Sie fordern, dass die Reformpläne annulliert werden. Erst dann seien sie zu Diskussionen bereit, sagen die Vorsitzenden der Landwirtschaftsverbände. Die Blockaden werden bis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt.

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