Provinzjustiz in Argentinien: Im Dienst konservativer Politik

Eine indigene Aktivistin ist zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Trotz internationaler Proteste folgen weitere Verfahren.

Milagro Sala macht das Victory-Zeichen

Es liegen noch sieben Anzeigen gegen sie vor, doch sie gibt sich siegessicher Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | In Argentinien ist am Mittwoch die indigene Aktivistin Milagro Sala zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Anführerin der sozialen Organisation Túpac Amaru in der Nordprovinz Jujuy wurde vorgeworfen, 2009 eine Protestaktion gegen den damaligen Senator Gerardo Morales angezettelt zu haben. Es war das erste Urteil gegen die 52-Jährige. Weitere sieben Anzeigen gegen sie liegen vor, ein zweites Gerichtsverfahren läuft bereits.

„Sie verfolgen mich, weil ich eine indigene Frau bin, die sich nicht vor ihnen verbeugt“, hatte Sala immer wieder betont. Am 16. Januar war sie wegen „Anstiftung zu Straftaten“ und „Aufruhr im öffentlichen Raum“ festgenommen worden. Als Anlass diente ein 51-tägiges Protestcamp in der Provinzhauptstadt San Salvador de Jujuy um den Jahreswechsel herum. Zwar befand der Haftrichter wenig später die Anschuldigungen für das Verhängen der Untersuchungshaft für nicht ausreichend, aber statt Sala freizulassen, schob die Staatsanwaltschaft weitere Strafanzeigen nach. Sala blieb in Haft – für ihre Anhänger ist sie eine politische Gefangene.

Seither läuft eine nationale Solidaritätskampagne, bei der sich ein breites Spektrum an parteipolitischen Gruppierungen und sozialen und Menschenrechtsorganisationen einig sind: Salas Inhaftierung ist ein politischer Akt der Willkür, sie muss sofort freigelassen werden. Auch international steht Argentinien am Pranger. Nach der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen über willkürliche Festnahmen Ende Oktober forderte Anfang Dezember auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) Salas umgehende Haftentlassung.

Im Verlauf der tiefen Krise um die Jahrtausendwende migrierte ein Teil der verarmten Landbevölkerung in die Städte. In San Salvador de Jujuy formierte sich daraus die Organización Barrial Túpac Amaru. „1999 waren wir fünf“, so Milagro Sala über die Anfänge ihrer Organisation. Unter der straffen Führung der streitbaren Frau stieg Túpac Amaru zu einer schlagkräftigen Organisation auf. Mit ihren Kooperativen wurde sie zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Provinz. Mit staatlichen Geldern finanziert, setzten die Kooperativen vor allem Wohnungsbauprogramme um.

Die Alarmglocken schrillten

Für die politische und ökonomische Provinzelite wurde Túpac Amaru zunehmend zur Gefahr. Spätestens seit im unmittelbaren Nachbarland Bolivien mit Evo Morales ein Indigener Präsident wurde, schrillten die Alarmglocken.

Seit der rechtsliberale Gerardo Morales im Oktober 2015 die Gouverneurswahl gewann und mit dem Sieg des rechten Mauricio Macri ein Wechsel im Präsidentenamt erfolgte, gewinnt die alte Ordnung wieder die Oberhand. Erster Schritt: Streichung der direkten Zuschüsse an die Kooperativen, die zugleich eine neue Zulassung bei der Provinzverwaltung beantragen müssen. Dagegen protestierte Túpac Amaru mit dem Camp.

Auf Kritik reagiert die argentinische Regierung mit dem Verweis auf die Unabhängigkeit der Provinzjustiz. UNO- und CIDH-Vertreter wurden eingeladen, sich selbst vor Ort zu informieren.

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